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Die schöne Parfümhändlerin

Die schöne Parfümhändlerin

Titel: Die schöne Parfümhändlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A MCCABE
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nicht, und er konnte sich nicht länger selbst belügen. Die Frau, die er als Werkzeug benutzen wollte, die ein nützliches Teilchen in seinem komplizierten Plan sein sollte, beschäftigte sein ganzes Sinnen und Trachten. Selbst wenn er am Hofe des Dogen dienerte und schmeichelte oder während der nachmittäglichen Siesta in seiner einsamen Kammer sein Schwertspiel übte, wenn er den Angriff und die Verteidigung probte, bis ihm der Schweiß den Rücken hinunterlief und ihm die Sinne vor Kampfeslust vernebelt waren, selbst dann dachte er an Julietta. Nachts träumte er von ihrem Haar, von ihrem ganz besonderen Duft und wie ihr Kuss schmeckte.
    Er musste wahnsinnig geworden sein. War sie doch schließlich nur eine Frau – eine Frau mit ihren eigenen Geheimnissen und Lügen. Er war nahe, so nahe an der Verwirklichung aller seiner Pläne. Er durfte nicht zulassen, dass sie alles zerstörte. Er musste sich von ihr fernhalten. Erlaubte sie ihm etwa, sich ihr zu nähern? Hatte sie ihn auf Nicolais Feier nicht brüsk zurückgewiesen? Hatte sie nicht ihr Gesicht abgewandt, als er sie küssen wollte?
    Nein, sie waren nicht füreinander bestimmt. Und dennoch begehrte er sie, dennoch träumte er von ihr.
    Marcos blickte hoch zu dem dunklen Korridor über der Marmortreppe und zu der Tür, hinter der er sich vor Kurzem noch zu einem Gespräch unter vier Augen mit dem Conte getroffen hatte. Alles war still, nur ab und zu drang Musik oder Gelächter von den Feiernden herüber. Lange sah Marcos auf die verschlossene Tür, hinter der Julietta verschwunden war.
    Was konnte es schon schaden, wenn er einen kurzen Blick in den Raum warf? Nur um zu sehen, was seine geheimnisvolle Freundin dort machte? Wie von alleine trugen ihn seine Füße die Marmorstufen hinauf. Er konnte nicht kehrtmachen, jetzt nicht mehr. Er lauschte an der Tür. Nichts war zu hören.
    Leise öffnete Marcos die Tür und trat in den Raum.
    Wie auf einem Gemälde stand sie im bernsteinfarbenen Licht vor dem geöffneten Fenster. Eine Hand am Fensterrahmen, stand sie halb abgewandt und schaute hinunter zum Kanal. Über ihre weiße Haut fielen dunkle Schattenlinien, Perlenschmuck glänzte in dem schweren schwarzen Zopf, der ihr über die Schulter fiel. Ihre Lippen waren leicht geöffnet, die Augen niedergeschlagen. Es war ein Bild der Ruhe, gelassen und ruhig wirkte sie, unantastbar wie eine Heilige auf einem Fresko.
    Eigenartigerweise bewirkte diese Unnahbarkeit, dass Marcos sie umso mehr begehrte. Er wollte ihren schlanken Körper umarmen, wollte sie küssen und berühren, bis ihr Eis schmolz, die Maske verschwand, sie ihm ihr wahres Gesicht zeigte und ihre innersten Gefühle offenbarte.
    „Weshalb versteckt Ihr Euch hier, Julietta?“, wiederholte er, verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich gegen die geschlossene Türe. Er fühlte sich wie vor dem Beginn einer Schlacht: hellwach und heißblütig, alle Sinne angespannt.
    Sie war seine wahre Feindin. Niemals durfte er das vergessen. Sie würde gewiss eine der schwierigsten Widersacherinnen sein, der er je gegenübergestanden hatte.
    Gefesselt und neugierig beobachtete er Julietta.
    Ihr stockte der Atem, sie straffte die Schultern, ihre Handknöchel wurden weiß, so fest umklammerte sie den Fensterrahmen. „Solltet Ihr nicht bei den anderen Gästen sein?“, fragte sie leise zurück.
    „Dasselbe könnte ich Euch fragen.“
    Langsam drehte sie sich zu ihm um. Mit dem Rücken zum Fenster stand die schlanke hohe Gestalt im Mondlicht, nur ihr Gesicht lag nun völlig im Schatten. Unwillig warf sie den Zopf zurück über die Schulter. „Ich bin viel zu unbedeutend. Mich vermisst man nicht. Aber Ihr … Ihr seid Il leone. Der Ehrengast. Unser Gastgeber wird mit Euch angeben wollen.“
    Langsam ging Marcos auf sie zu. Wie von einer unsichtbaren Kraft fühlte er sich von ihr angezogen. Das gleiche Gefühl hatte er schon im Speisesaal gehabt.
    „Ich denke, Ermano wird Euer Verschwinden eher bemerken als meins, querida, Geliebte“, sagte er leise, nahm ihre Hand, die kühl von der Nachtluft war und nach Rosen duftete, und hielt sie ins Mondlicht. Julietta zog ihre Hand nicht weg. Nur ihr Atem beschleunigte sich, ging im Gleichklang mit dem seinen.
    „Was meint Ihr?“
    „Unser Gastgeber ist in Euch verliebt. Ganz Venedig spricht darüber.“
    Julietta schnaufte verächtlich. „Ermano ist nur in sich selbst verliebt … darüber spricht ganz Venedig. Ich habe ihm meine Besitztümer auf dem Festland verweigert.

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