Die schöne Parfümhändlerin
lassen?
Voller Sorge und böser Vorahnungen langte sie unter ihren Umhang und holte den Schlüssel heraus. Glücklicherweise war die Tür nicht von innen verriegelt, das Eisenschloss ließ sich mühelos öffnen. Julietta drückte die Tür auf und trat zittrig in den Innenraum.
Sie musste mit dem Schlimmsten rechnen. Doch auf den ersten Blick schien alles in Ordnung zu sein. Der Ladenraum war sauber und aufgeräumt, der Ladentisch poliert, Flaschen, Töpfe und Tiegel standen alle an ihrem Platz. Auf dem Boden lag kein zerbrochenes Glas, die Polstersitze waren nicht aufgeschlitzt, in den Wänden keine Löcher. Doch es war still im Haus, ungewöhnlich still sogar. Selbst die Geräusche von draußen klangen irgendwie gedämpft, hörten sich verzerrt an, als kämen sie aus einer anderen Welt.
„Bianca?“, rief sie leise. Ihre Stimme hallte durch das Haus. Julietta stellte ihre Reisekiste auf den Ladentisch und ging möglichst geräuschlos über die Holzstiege nach oben. Die Kammer war so verlassen wie der Laden, die Bettdecke lag ordentlich über dem Bett, ihr Kleid hing noch über dem Stuhl, wo sie es vor ihrer Abreise hingelegt hatte. Auch Biancas zusammengerollte Matratze auf dem Flur befand sich noch an ihrem gewohnten Platz.
Julietta stand im Flur und blickte sich suchend um, sicher, irgendwo einen Hinweis zu finden. In der ganzen Zeit, in der Bianca bei ihr arbeitete, war sie immer eine treue Dienerin, ja fast eine Freundin gewesen. Irgendetwas musste in der Zwischenzeit geschehen sein. Aber was?
Julietta ging zurück in ihre Schlafkammer, stieß einen Fensterladen auf und schaute vorsichtig hinunter auf den Platz. Das übliche Treiben, die Menschen gingen ihren Geschäften nach, unterhielten sich miteinander. Bianca war nirgends zu sehen. Nur eine Person fiel Julietta auf, sie passte nicht in das bunte, alltägliche Bild des Viertels. In der Nähe des Torbogens stand ein großer, kräftiger Mann in braunem Lederwams, das simple Barett hatte er tief ins Gesicht gezogen. Er tat, als schneide er sich die Nägel mit einem kurzen Messer, aber ganz offensichtlich beobachtete er den Parfümladen. Selbst eine hübsche Magd im kirschroten Gewand, die keck an ihm vorbeistolzierte, konnte seine Aufmerksamkeit nicht gewinnen.
Ach Ermano, wie ungeschickt von Euch, so einen Wächter zu wählen, dachte Julietta. Normalerweise besaß er mehr Geschick bei der Auswahl seiner Spitzel. Oder war dieser Mangel an Feingefühl sogar ein Teil von Ermanos Plan? Wollte er ihr damit vielleicht zeigen, dass er sie bereits ganz und gar in die Enge getrieben hatte?
Julietta reckte das Kinn und starrte zu dem fremden Mann hinunter. Ermano würde sie niemals in die Enge treiben, nicht solange sie sich wehren konnte! Schließlich hatte sie ihre eigenen Pläne. In der Zwischenzeit wollte sie dem gelangweilten Wachmann etwas zu beobachten geben. Auch sich selbst musste sie mit Arbeit die Zeit vertreiben. Den Rest des langen Tages konnte sie schließlich nicht nur mit Warten verbringen. Sie wollte ihren Laden öffnen, auch wenn sie zu dieser Tageszeit nicht mehr viele Kunden erwartete.
Sie drehte sich auf dem Absatz um und eilte die Treppe hinunter. Den Reiseumhang tauschte sie gegen eine Schürze. Das einfache Wollkleid musste reichen. Es blieb ihr keine Zeit, in das übliche schwarz-weiße Arbeitsgewand zu wechseln. Ihre Kunden mussten sie einfach einmal in diesem Aufzug billigen. Außerdem, wenn alles nach Plan verlief, dann musste sie sich sowieso nicht mehr lange um ihr Geschäft in Venedig sorgen.
Gerade als Julietta die Schürze zubinden wollte, hörte sie hinter sich ein eigenartiges Geräusch. Ein leises Klirren, möglicherweise von zerbrochenem Glas, kam aus dem Lagerraum. Ängstlich hielt sie das Schürzenband umklammert. Warum hatte sie vergessen, im Lagerraum nachzusehen? Unsicher sah sie über die Schulter zu der fest verschlossenen Tür hinter dem Ladentisch. War da nicht ein Lichtschein unter der Türschwelle?
„Wer ist da?“, rief sie und holte zugleich den Dolch aus ihrem Ärmel. Der schwere Griff gab ihr Sicherheit.
Aus dem Lager kam keine Antwort, lediglich ein leises, eigenartiges Schlurfen war zu hören. Julietta schlich zur Tür und lauschte. War es nur pure Einbildung? Vielleicht waren es nur die Ereignisse der letzten Tage, die sie so empfindlich machten. Nein, Julietta hätte schwören können, dass sie ein Geräusch gehört hatte. Sie bekam eine Gänsehaut, so sehr fürchtete sie sich.
Dann stieß sie mit
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