Die schöne Philippine Welserin: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)

Gefühl von Verlust, das nicht weichen will …
    Ich kann nicht anders, ich muss weiterfragen.
    Schließlich erbarmt sie sich meiner.
    Ein böses Fieber hat mich überfallen, so erfahre ich endlich, verbunden mit einer hartnäckigen Stockung des Geblüths, wie sie bei jungen Frauen manchmal auftritt. Mit der Heilkraft ihrer Kräuter hat sie beides behandelt, für mich eine spezielle Mischung zusammengestellt, die mich schließlich kuriert hat.
    Mit einem Mal habe ich einen widerlichen Geschmack im Mund, muss mich schütteln, so sehr ekle ich mich.
    Wermut schmecke ich, der den Menschen als Augenwasser so gute Dienste leistet oder in die Kleidertruhen gelegt wird, um die Motten zu vertreiben, doch dieser Wermut, den sie mir eingeflößt hat, ist voller Bitternis und Trauer. Dem Weg der Schlange soll er entsprungen sein, als Gott sie aus dem Paradies verwiesen hat, hat Tante Kat es mir einst erzählt, die dererlei Geschichten und Mythen sammelt und liebt. Weil die Menschen sündigten, ist seitdem in jedem Glück auch ein Tropfen Bitternis enthalten.
    Ein Tropfen?
    Für mich ist es ein riesiges Meer, in dem meine Liebe zu Ferdinand haltlos treibt wie eine Nussschale auf hoher See.
    Da ist Blut zwischen meinen Beinen. Viel Blut.
    Und anstatt erleichtert zu sein, weil der Mondfluss zurückgekehrt ist, muss ich nur noch weinen.
    Die Mutter streichelt meinen Kopf, wie sie es früher getan hat, wenn Albträume mich als Kind quälten, nimmt mich in die Arme, wiegt mich, bis ich langsam ruhiger werde.
    »Es wird alles wieder gut«, flüsterte sie mir ins Ohr. »Ich weiß es, weil ich deine Mutter bin. Mütter wissen so etwas!«
    Mütter …
    Werde ich jemals eine Mutter sein?

Hyoscyamus niger
    Auch genannt Hexenkraut, Rasewurzel, Zahnwehkraut
     

     
    Positive Wirkung: Bilsenkrautöl vertreibt Schmerzen und tötet Würmer im Ohr. Tee hilft bei Magenschmerzen. Wurzel in Essig vertreibt Zahnweh.
    Negative Wirkung: Kraut wie Samen sind sehr giftig, führen zu Schwindel, Krämpfen, schließlich zum Tod.

Kapitel IV
BILSENKRAUT
     
    Regensburg, August 1556
     
    Wie breit die Donau war – und wie majestätisch sie dahin floss!
    Verglichen mit ihr war der Lech nichts als ein schmaler, lebhafter Gebirgsfluss, der in Philippines Erinnerung allmählich verblasste, obwohl gerade einmal fünf Tage vergangen waren, seitdem sie Augsburg verlassen hatten. Inzwischen hatten sie Regensburg erreicht, wo die kleine Reisegesellschaft, der sie sich angeschlossen hatte, eine kurze Pause einlegen wollte, bevor es weiter in Richtung Pilsen ging.
    Sie reckte und streckte sich, um die Steifheit aus den Gliedern zu bekommen. Die langen Tage in dem schlecht gefederten Kobelwagen, der den Namen Kutsche kaum verdiente, forderten ihren Tribut. Sobald sie ihr abendliches Ziel erreicht hatten, kroch sie förmlich auf allen Vieren heraus. Die muffigen, oftmals durchgelegenen Strohlager der Herbergen, auf denen sie sich anschließend betten mussten, taten ein Übriges, wenngleich sie trotz aller Müdigkeit nur schlecht in den Schlaf fand.
    Wie viel schneller hätte sie ihr Ziel auf einem Pferd erreicht!
    Doch allein der Vorschlag hatte die Mutter blass werden lassen und zu einem energischen Kopfschütteln veranlasst, das gar nicht mehr aufhören wollte. Selbst wenn Karl oder Georg sie begleitet hätten, die beide jedoch verhindert waren, auf diese Weise nach Böhmen zu gelangen, lag für eine junge Frau ihres Standes außerhalb jeder Möglichkeit.
    Philippine sah den Besuch bei Tante Kat schon in unerreichbare Ferne entschwinden, da kam ihr der Zufall in Gestalt von Braumeister Jörg Siedeler zu Hilfe. Dessen zweite Frau Babette bezog seit mehr als einem Jahr diverse Kräutermischungen von Anna Welser, weil ihr sehnlicher Kinderwunsch sich nicht erfüllen wollte. Zur Unterstützung hatte die Welserin nun zusätzlich eine Bäderkur empfohlen, die der Braumeister mit einer Reise nach Pilsen verbinden wollte, um dort mehr über das Geheimnis untergäriger Biere zu erfahren. Er erbot sich sogar, Philippine auch das letzte Stück nach Bresnitz zu bringen, in der Hoffnung, dass Anna seinem jungen Weib nach der Rückkehr weiterhin mit Rat und Tat zur Seite stehen würde.
    So waren sie also aufgebrochen, Jörg Siedeler, Babette, Peter, sein Ältester aus erster Ehe, der Pickel und Stimmbruch gerade erst hinter sich hatte, und Philippine, der die aufgezwungene Enge allerdings schon bald mehr zu schaffen machte, als sie sich jemals hätte vorstellen können. Jörg und