Die schöne Philippine Welserin: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)
Geschäftssinn freilich hörte man noch Bedenklicheres. Kein Vergleich mit seinem Bruder Bartholomäus, der das Familienunternehmen mit straffer Hand geführt und inzwischen an seinen Sohn Christoph weitergegeben hatte!
Wenngleich die großen Zeiten des Kontinente übergreifenden Welser Imperiums inzwischen vorbei waren, so zog Onkel Bartholomé, wie Philippine ihn stets liebevoll genannt hatte, von seinem Alterssitz in Amberg aus noch immer die Fäden, auch wenn seine Hände zittrig wurden und ihm bisweilen ganz den Dienst versagten.
Sein Bruder Franz dagegen, ihr Vater, um dreizehn Jahre jünger, galt als verschwenderisch, ein Luftikus, der zwar reich, aber gewiss nicht aus Liebe geheiratet hatte, von Jugend an den schönen Dingen des Lebens inniger zugetan als klaren Ziffern. Je mehr sein Alter voranschritt, desto weniger schien er bereit, sich weiterhin familiären Zwängen zu beugen. Anna und Philippine bekamen es an den Zahlungen aus Ravensburg zu spüren, die immer spärlicher tröpfelten, ebenso wie an seinen kurzen, zerstreuten Briefen, die allenfalls zu hohen Feiertagen eintrudelten.
Doch das war bei Weitem nicht das Schlimmste.
Die Leute zerrissen sich das Maul über die unübersehbare Schar der Augsburger Bastarde ihres Vaters. Manchmal graute Philippine regelrecht davor, einem weiteren seiner ›Kegel‹ zu begegnen, wie die Unehelichen abfällig genannt wurden, und in einem neuen Gesicht Züge des abwesenden Vaters entdecken zu müssen.
Kein Wunder, dass die stolze Anna Welser inzwischen allem Fleischlichen abgeschworen hatte und einzig und allein für ihre Heilkräuter lebte! Sie hatte Witwenschwarz angelegt, obwohl ihr Ehemann keineswegs tot war, sondern putzmunter in einer anderen Stadt das Leben führte, nach dem es ihn offenbar seit jeher gelüstet hatte. Was er damit allerdings seiner Tochter antat, schien ihn dabei nicht weiter zu kümmern …
Seltsam prustende Geräusche rissen Philippine aus ihren Grübeleien.
Vor ihr stand ein junger Mann, tropfnass, der schallend zu lachen begann, als er ihr erschrockenes Gesicht sah.
»Der Himmel muss es wahrlich gut mit mir meinen!«, rief er. »Welch wunderbares Geschick hätte mich sonst ausgerechnet hierher geführt?«
Sein muskulöser Oberkörper war nackt, und auch die helle Bruche, die er als einziges Kleidungsstück trug, stellte seinen gut gebauten Körper mehr zur Schau, als ihn zu verhüllen.
Bis auf die Brüder, und das lag viele Jahre zurück, hatte sie nie zuvor einen so spärlich bekleideten Mann zu Gesicht bekommen. Sie konnte nicht anders, als ihn weiter anzustarren, was ihn nur noch mehr zu amüsieren schien. Dann erst fielen ihr das aufgeschnürte Mieder und ihr halb gelöstes Taillenband ein, doch beides konnte sie jetzt beim besten Willen nicht mehr in Ordnung bringen.
»Erkennt Ihr mich denn gar nicht wieder?«, fuhr er fort. »Der Dachausbau im Peutingerhaus vor einigen Jahren, Ihr müsst Euch doch daran erinnern! Ich war es, der Euch diese schöne Stube gezimmert hat. Tag für Tag sind wir uns dort über den Weg gelaufen. Denkt Ihr denn gar nicht mehr an mich, wenn Ihr im Winter Eure Finger am Ofen wärmt?«
Natürlich – der Zimmermann, der sie so begehrlich gemustert hatte, als sei sie seinesgleichen! Und dennoch hatten seine unverschämten Blicke ihr gefallen, allein schon deshalb, weil er eine gewisse Ähnlichkeit mit Ferdinand besaß.
»Damals trugt Ihr Wams und Schuhe und habt zumindest versucht, Euch halbwegs anständig aufzuführen«, erwiderte sie. »Jetzt aber steigt Ihr wie Poseidon höchstpersönlich aus dem Lech … «
»In Wams und Schuhen schwimmt es sich nun mal leider ziemlich schlecht«, unterbrach er sie. »Mein Kleiderbündel liegt ein Stück flussaufwärts am Ufer. Ich geh es holen, sobald ich mich aufgewärmt habe. Aber jetzt muss ich erst einmal eine ganze Weile in die Sonne.« Er schüttelte sich wie ein nasser Welpe. »Brrr – ich hab den Biss des Frühlings unterschätzt. Das war eisig kalt!«
Jetzt musste sie wider Willen lachen, was ihn zu ermutigen schien.
»Ich darf doch?« Er setzte sich neben sie auf die Kiesbank, so ungeniert, als trüge er Schaube und Beinlinge, um sie von Neuem zu mustern. »Wie ist es Euch inzwischen ergangen? Erzählt mir von Euch, schöne Philippine! Denn diesen Namen tragt Ihr zu Recht.«
Sie rückte ein Stück zur Seite, ebenso geschmeichelt wie verlegen. Um ein Haar hätten sie sich berührt.
»Was bin ich bloß für ein Flegel«, sagte er kopfschüttelnd.
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