Die schöne Philippine Welserin: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)
»Ihr wisst ja sicherlich nicht einmal mehr, mit wem Ihr es zu tun habt! Caspar ist mein Name. Caspar Reinhard. War ein paar Jahre lang auf der Walz, in fernen Städten und Regionen, wie es in unserem Handwerk eben so üblich ist. Doch jetzt bin ich wieder da. Das Wasser, mein Lebenselixier, hat mich zurück nach Augsburg gezogen. Und jetzt verdanke ich ihm sogar die Ehre, Euch erneut zu begegnen!«
Die Tropfen auf seiner Haut glitzerten, was ihr gefiel. Er schien sich öfters in der Sonne aufzuhalten, denn seine Schultern schimmerten in einem warmen Bronzeton, der Philippine an eine antike Schale erinnerte.
Einen Lidschlag lang stellte sie sich vor, es seien seine Schultern. Und er säße hier allein mit ihr am Fluss.
Ob Ferdinand sie auch ›schöne Philippine‹ genannt hätte?
Sie erschrak über ihre Gedanken.
Wenn sie nicht aufpasste, würde sie noch wunderlich werden, eine alte Jungfer, die sich Tagträumen und verrückten Fantasien hingab, die doch niemals wahr werden konnten.
»Ich muss zurück.« Sie erhob sich vorsichtig. Zum Glück blieb der Rock an seinem Platz, und auch das Mieder verrutschte nicht weiter, was sie ebenfalls erleichtert bemerkte. »Meine Mutter erwartet mich. Und mein Korb … «
Blitzschnell war er aufgesprungen und brachte ihn ihr.
»Kräuterzeug.« Er hing seine Nase in den Korb und schnüffelte genüsslich. »Sogar jede Menge Kräuterzeug! Vogelmiere sehe ich da, Disteln – und das gute, alte Pestilenzkraut! Gibt es da etwa einen heimlichen Schatz, von dem Ihr träumt? Dann wüsste ich wahrlich etwas Besseres für Euch!«
»Unsinn!«, widersprach sie. »Das ist alles für meine Mutter bestimmt. Ihre Heilpflanzensammlung wächst und wächst.«
Er nickte, wirkte seltsam erleichtert.
»Dann ist es also wahr, was man sich in Augsburg erzählt: dass Anna Welserin inzwischen eine halbe Apothekerin geworden ist, und ihre liebreizende Tochter Pippa noch immer auf den Richtigen wartet … «
Das ging entschieden zu weit!
Sie riss ihm den Korb aus der Hand, angelte nach Strümpfen und Schuhen. Den Gefallen, das Kleid zu heben und ihre Beine zu zeigen, würde sie ihm nicht erweisen. Auch so schienen seine Augen schon Löcher in das Leinen zu bohren, so neugierig waren sie auf sie gerichtet.
»Spart Euch die Schmeicheleien für bessere Gelegenheiten auf«, sagte Philippine scharf. Ihren Spitznamen, ausschließlich der Familie vorbehalten, musste er damals irgendwann aufgeschnappt haben, was sie störte und gleichzeitig merkwürdig atemlos machte. »Und jetzt lasst mich vorbei!«
Breitbeinig versperrte er ihr den Weg.
»Nur, wenn du wiederkommst! Du wirst doch wiederkommen?«, sagte er leise. »Morgen zum Beispiel? Oder übermorgen? Der Frühling hat gerade erst richtig begonnen.«
»Vergesst es.« Wie kam er dazu, ihr gegenüber das vertrauliche Du zu verwenden? Er, ein einfacher Zimmermann, während sie doch aus einer der besten Familien der Stadt stammte!
»Und wenn ich herzlichst darum bitte?« Er roch nach Fluss, nach Sonne, nach Leben. Seinen Fehler machte er schnell wieder wett. »Würdet Ihr es Euch dann vielleicht doch noch einmal überlegen?«
Sie hätte mit Fäusten auf ihn einschlagen mögen, weil er sie die Einsamkeit so überdeutlich spüren ließ. Niemals würde sie mit Ferdinand zusammenkommen – warum musste ausgerechnet er sie an diesem strahlenden Frühlingstag daran erinnern?
Stumm schüttelte Philippine den Kopf.
Erneut ein Blick von ihm, den sie wie ein Messer empfand, weil er abermals ihr Innerstes aufriss und bloßlegte, was sie doch unter allen Umständen verbergen wollte.
Dann trat Caspar zur Seite und gab den Weg endlich frei.
*
Augsburg, 5. Mai 1556
Immer, wenn ich im Leben nicht mehr so recht weiterweiß, greife ich zu Feder und Tinte. Leider habe ich die alten Aufzeichnungen in einem Wutanfall verbrannt, was ich heute bedaure, aber nicht mehr rückgängig machen kann. Mit diesem neuen Tagebuch werde ich sorgfältiger umgehen, das habe ich mir geschworen.
So vieles geht mir im Kopf herum!
Vielleicht wird es leichter, das innerliche Wirrwarr ein wenig zu ordnen, wenn ich meine Gedanken zu Papier bringe.
Schöne Philippine, so hat dieser dreiste Zimmermann mich genannt – einzig und allein, um mir zu schmeicheln, wie schon andere vor ihm.
Beeindrucken lasse ich mich trotzdem nicht davon. Denn ich kenne ja mein Spiegelbild, weiß ganz genau, wer ich bin.
Ich war nicht einmal schön, als ich sechzehn war, und bin es heute ebenso
Weitere Kostenlose Bücher