Die schöne Rächerin
männlichere Disziplinen wie Schwert- und Nahkampf konzentriert. Eigentlich kannte er sich auch mit dem Barren nicht besonders gut aus. Er hatte Rose schlicht aus dem Wettkampf manövriert.
So gern er die Messer auch zu ihr hinübergeworfen hätte, um ihr diesen selbstgefälligen Ausdruck aus dem Gesicht zu wischen … er konnte es nicht riskieren.
Er hätte sie am liebsten umgebracht, aber er wollte sie nicht umbringen . Also drehte er sich im letzten Moment um und jagte das Messer auf einen der Holzpfeiler zu, die das Schulgebäude über ihnen trugen. Der Pfeiler war kaum breiter als Rose, was eine gewisse Treffsicherheit erforderte. Die Klinge sank tief ins Holz. »Eins.«
Er schickte die Messer, so schnell er sie aus der Zielscheibe hinter sich herausbekam, in die nächsten vier Pfeiler. Nicht schlecht. Sein Stolz wuchs mit jedem Treffer. Bevor er das letzte Messer zwischen seinen Oberschenkeln herauszog, hielt er kurz inne und grinste Rose vielsagend an.
Sie schaute nicht einmal in seine Richtung. Sie stand mit verschränkten Armen da, schaute mit gelangweilter Miene zu Boden und bohrte eine Schuhspitze in die Matte.
Collis schleuderte das letzte Messer los, ohne zuvor das Ziel anzuvisieren und musste entsetzt mit ansehen, wie das Messer mit absoluter Präzision -
- das Seil traf, an dem der Kerzenleuchter hing.
Der Kerzenleuchter, der alles in allem an die fünf Zentner wiegen musste.
Der Kerzenleuchter, der hoch über Roses Kopf hing. Jenen Kopf, den sie jetzt gesenkt hatte, weil sie den Boden betrachtete.
Keine Zeit zum Schreien. Keine Zeit für Erklärungen.
Collis warf sich quer durch den Raum. Oh Gott, er war viel zu weit weg -
Er riss sie mit brutalem Griff auf die Matte, rollte sich mit ihr in den Armen immer wieder herum. Hinter ihnen krachte das gigantische Eichenrad zu Boden, erfüllte den Raum mit einem Windzug und heißen spritzenden Wachstropfen, zwischen die sich das Stroh aus der zerfetzten Bodenmatte mischte, und alles versank in tiefer Dunkelheit.
3
Rose konnte nicht atmen. Konnte nicht sehen, sich nicht bewegen. Eine Sekunde lang drehte ihr Verstand vor Panik durch. Dann konzentrierte sie sich mit ganzer Kraft.
Sie konnte nichts sehen, weil die Kerzen aus waren. Etwas Schweres war zu Boden gestürzt. Mit der Dunkelheit zusammengerechnet, in die sich der Rauch der erloschenen Dochte mischte, ergab sich, dass sie knapp einem Toddurch-herabstürzenden-Kerzenleuchter entgangen war. Sie hatte direkt unter dem gigantischen Rad gestanden, falls sie sich richtig erinnerte.
Was bedeutete, das irgendetwas das Seil gekappt hatte.
Collis. Und der Grund, weshalb sie hier am Boden lag und keine Luft in den Lungen hatte?
Collis. Und das große warme Gewicht, das selbst jetzt noch ihre Gliedmaßen auf dem Boden festhielt?
Collis.
Sie zwang ihre Lungen sich auszudehnen. Dem ersten schmerzhaften Atemzug folgte ein zweiter, weniger schmerzhafter. Sie spürte, wie Collis über ihr gleichfalls tief Luft holte.
»Sind Sie verletzt?« Sein Atem streifte ihr Gesicht.
Seine Arme schlossen sich um sie, pressten sie an seine harte nackte Brust.
»Nein«, flüsterte sie. »Ich glaube nicht.« Sie registrierte geistesabwesend, dass sie ihn ihrerseits gleichfalls zu umarmen schien. Sie hatte die Arme unter seinen durchgeschoben, und ihre Hände umklammerten seine breiten Schultern. Seine breiten nackten Schultern.
Seine Muskeln spannten sich unter ihren Händen. Rose war für einen Augenblick so hingerissen und immer noch so benommen, dass sie ihm zur Antwort die Fingerspitzen in den Rücken grub. Er ist so stark. Er hält mich so fest, als wäre ich ihm das Liebste auf der Welt.
Das Atmen fiel ihr immer noch nicht leicht. Genau genommen wurde es von Sekunde zu Sekunde schwieriger. Er lag auf ihr wie ein Liebhaber, drückte ihren Busen mit seiner breiten Brust zusammen und hatte die Knie zwischen ihre Schenkel gepresst. Der feste Druck auf ihr feinfühliges Zentrum jagte ihr heiße Wogen des Begehrens durch den Leib.
Als er ein Knie ein wenig verschob, hätte sie fast vor Lust gestöhnt. Ihr Denken setzte einen Moment lang aus, und sie fühlte nur noch. Sie fühlte ihre Haut glühen, als die Hitze seines Körpers sie durchdrang. Nicht mehr lange, und sie würde wie eine Pfütze aus geschmolzenem Wachs unter ihm liegen. Er roch so gut - Mann und Sandelholz und eine Spur von sauberem Schweiß.
Tief in ihr seufzte eine leise Stimme vor Vergnügen: Nicht bewegen.
Collis konnte sich nicht bewegen.
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