Die schöne Rächerin
keinen Jeeves. Keinen Butler, keinen Kammerdiener, ja nicht einmal eine Putzfrau. Solche Leute hätten darauf bestanden, angemessen oder überhaupt irgendwie bezahlt zu werden, was dem Damont-Haushalt derzeit aber nicht möglich war.
Und Brandy gab es auch keinen mehr, es sei denn, er hatte in irgendeiner Kellerecke eine staubige Flasche übersehen. Unwahrscheinlich, denn er hatte alles zusammengerafft, das sich essen, trinken oder verkaufen ließ. Sein Glück am Spieltisch war dahin. Fortuna hatte ihn in letzter Zeit ein paar Mal zu oft im Stich gelassen.
Wankelmütiges Biest.
Ethan sah auf. »Ich habe es nicht so gemeint. Du bist eine Schönheit, eine Vision, eine wahrliche Göttin. Ich könnte stundenlang so weiterschwärmen, wenn du nur noch ein einziges Mal an meine Tür klopftest.«
Klopf, klopf . Es gab keinen Türklopfer (gute Messingklopfer brachten schließlich fast einen Wochenlohn ein), also tönte nur das leise Klopfen eines Fingerknöchels durch die leeren Räume.
»Besuch!«, murmelte Ethan vor sich hin. Ihm war nicht sonderlich danach, die Tür aufzumachen. Vermutlich nur wieder ein Gläubiger, der ihm die letzten Besitztümer abnehmen wollte. Und er hatte keine Lust, seine Schuhe herzugeben. Gut, dass er wenigstens den Brandy ausgetrunken hatte. Er kippte die letzten Tropfen hinter die Binde, nur für den Fall. Er lächelte mit zurückgelegtem Kopf zu seiner gleichgültigen Lady auf.
»Meine Prinzessin, wenn das nur du wärst, an meiner Tür. Warum besuchst du mich nicht mehr, mein Liebling? Was habe ich getan, um dich so zu verletzen?«
Um die Wahrheit zu sagen, er wusste es. Er hatte die Leidenschaft verloren. Eines Tages war er aufgewacht, ohne die Erregung des Jagdfiebers zu spüren, ohne die Gier nach dem Spiel. Karten waren nur Pappe und Druckfarbe. Das Grün erschien ihm plötzlich gallig und keine smaragdene Verhei ßung mehr.
Es klopfte erneut und eine hohe, fragende Stimme ertönte. Eine Frauenstimme, die ihn mit Namen ansprach. Ethan war verblüfft. »Bist du es, meine Geliebte?« Nun denn, er machte wohl besser die Tür auf. Ihm fiel keine Frau ein, der er etwas geschuldet hätte, es sei denn, es handelte sich um eine abgelegte Geliebte, die die Affäre aufleben lassen wollte oder auf Rache sann. Wie auch immer, es war eine Gelegenheit, die leeren Wände und die geleerte Karaffe zu vergessen.
Er stand auf, wankte einen Moment lang, dann schlurfte er zum Eingang. Es war eine schöne Eingangshalle mit einer sogar noch schöneren Tür. Er fragte sich angelegentlich, was sie wohl wert war. Der Riegel überforderte ihn anfangs, doch schließlich meisterte er ihn. Verdammt guter Brandy. Zu dumm, dass er alle war.
Ethan öffnete die Tür und schrak vor dem hellen Licht zurück. »Ist es schon Tag?«
Etwas schob ihn nach hinten und drängte an ihm vorbei. »Wir haben bereits Nachmittag, Mr. Damont. Schon nach Teezeit. Und Sie scheinen den Regen verpasst zu haben.«
»Oh … Tee.« Ihn überkam ein abruptes Verlangen. Tee und Kuchen, frisch gebackener Kuchen. »Kümmelkuchen mag ich gern.«
»Oh du meine Güte. Sie sind betrunken.«
»Nicht freiwillig«, protestierte Ethan und blinzelte immer noch gegen das Licht an. »Konnte diesen Bastarden meinen Brandy nicht überlassen, wissen Sie.«
»Nein, ich weiß nichts, und es interessiert mich auch nicht.« Die Tür ging zu und schloss mit einem forschen Knall das Tageslicht aus. Ethan seufzte dankbar. Nach einer Weile konnte er wieder klar sehen und fand sich mit einer sehr wütenden Person in nicht zusammenpassenden Kleidern konfrontiert. Wütend oder verängstigt. Möglicherweise beides.
Ein Frau - er war sich ziemlich sicher, dass sie weiblichen Geschlechts war - die Hilfe brauchte, so er sich nicht irrte. Er war einmal ein echter Gentleman gewesen. Ethan musste tief graben, um einen letzten Fetzen Ritterlichkeit zu finden. Oh, da war einer.
»Bitte, kommen Sie herein«, sagte er galant.
»Bin ich schon.« Sie verschränkte die Arme und sah ihn finster an.
Sie war hübsch, wenn man die Blassen, Dunkelhaarigen mochte. Und dünn. Und ziemlich struppig.
Ethan ertappte sich dabei, wie er sich gerader hinstellte und sich sammelte, als habe er auf eine unausgesprochene Herausforderung zu reagieren. Er schluckte und hoffte, dass er keine allzu schlimme Fahne hatte.
»Wie kann ich Ihnen dienen, verehrte Lady?«
Sie nahm die Kappe ab und ließ das Haar über den Rücken fallen. »Ich bin keine Lady.«
22
Die Idee, in eisernen Fesseln
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