Die schöne Rächerin
Pracht samt Handfesseln aus der Kutsche.
Es zeigte sich, dass man sie erwartete. Nicht nur, dass Dalton da war, auch Liverpool fehlte nicht. Der Sergeant war sprachlos, als er die Tür öffnete und hätte fast vergessen, sich vor George zu verbeugen. Dann fing er sich, verbeugte sich schnell und eilte hinaus, um den Kutscher zu bezahlen.
Ethan Damont wurde in den vorderen Salon gebracht, zusammen mit Stubbs, der die Augen weit aufgerissen hatte und sich fast den Hals ausgerenkt hätte, während er über die Schulter den Prinzregenten anstarrte. Dalton begrüßte Collis mit einem kurzen Nicken, aber auch seine kühle Haltung konnte die Erleichterung nicht verbergen.
Liverpool war nicht annähernd so bewegt. Die Tür von Daltons Arbeitszimmer hatte sich kaum hinter den dreien geschlossen, als dem Premierminister schon das Temperament durchging. »George, Sie unerhörter Narr!«
George, der dankbar in Daltons besten Sessel gesunken war, besaß nur noch die Kraft zu einem hilflosen Schulterzucken. »Es schien mir eine hübsche Idee zu sein.«
»Machen Sie sich irgendeine Vorstellung davon, welchen Aufruhr Sie verursacht haben?«, fuhr Liverpool eine Weile lang aufgebracht fort. Rose saß blass und entsetzt daneben, während der Premierminister tobte. Collis fand es ziemlich unpassend, Seine Hoheit in Anwesenheit Dritter so auszuschimpfen. Andererseits waren die Liars verschwiegen wie Pfarrer, oder? Jedenfalls würde aus diesem Raum nichts nach draußen dringen.
Er räusperte sich laut genug, um Liverpools Aufmerksamkeit zu erregen. »Mylord, die vielleicht dringlichere Frage ist doch, wie die ›Voice of Society‹ herausfinden konnte, dass Seine Hoheit … ah … auf und davon ist.«
Selbst Liverpool musste zugeben, dass die ganze Affäre ohne diese Klatschkolumne längst nicht so brisant gewesen wäre. Diese undichte Stelle hatte ihnen früher schon Schwierigkeiten gemacht, doch sie waren auf der Suche nach dem Informanten noch keinen Schritt weiter. Irgendwer wusste verdammt viel und scheute sich nicht, es herumzuerzählen.
»Es ist jetzt wirklich genug, George«, sagte Liverpool mit leicht gezügeltem Zorn. »Diese wahnsinnige Idee, sich mit diesen … Amateuren einzulassen und sie auf ein Abenteuer zu begleiten! Irrsinn! Legen Sie es etwa darauf an, sich einweisen zu lassen?«
Dalton verschränkte die Arme. »Das war jetzt ein bisschen viel, Mylord.« Ihm schien bei Liverpools Ausbruch nicht wohl zu sein. »Sie treffen hier schließlich keine Entscheidungen mehr.«
Nein, dachte Collis. Liverpool hatte seinen Sitz bei den Royal Four aufgegeben, als er die Ernennung zum Premierminister angenommen hatte - und nur die Royal Four verfügten über die Macht, einen Monarchen seines Throns zu entheben. Und selbst George III. hatte erst nachweislich dem Wahnsinn verfallen müssen, bevor man sich zu diesem Schritt entschlossen hatte.
Wenn er so darüber nachdachte, hatte Liverpool damals an der Entscheidung mitgewirkt …
George stand auf, was Collis aus seinen Überlegungen riss. Sie kämpften sich allesamt auf.
Rose war schnell auf den Beinen. Schon sonderbar, wie umgänglich sie in Gegenwart eines Prinzen war. Aber ihr Abenteuer war vorüber. George war wieder »Seine Hoheit«, und sie war wieder Rose Lacey. Sie musste aufpassen, sich angemessen zu verhalten.
Bevor er den Raum verließ, klopfte George Collis müde auf die Schulter. »Es war mir eine Ehre und ein Vergnügen, etwas Zeit mit … solch lebendigen Abenteurern zu verbringen. Ich werde Ihnen nie vergessen, wie Sie diesen Wahnsinnigen von mir abgelenkt haben, mein Sohn.«
Collis verbeugte sich in wortloser Dankbarkeit. Aus Roses Blickwinkel betrachtet sahen der Prinzregent und Collis einen Augenblick lang völlig identisch aus.
Perfekt. Jede Biegung der Lippen, selbst die Nasenspitzen waren identisch, trotz der Schwellungen. Rechnete man den Etheridge-Einschlag heraus, Collis und George hätten Brüder sein können.
Sohn . Die Erkenntnis überkam sie wie ein eiskalter Schauder und ließ sie einen unendlichen Herzschlag lang erstarren. George drehte sich um, um ihr die Wange zu tätscheln, dann machte er sich mit vor Erschöpfung hängenden Schultern und Lord Liverpool auf den Weg.
»Er hat Sie ›Sohn‹ genannt«, sagte Rose ungläubig.
Collis warf ihr einen fragenden Blick zu. »Na und?«
Dalton trat zwischen sie. »Collis, Simon will dich zur Berichterstattung sehen. Miss Lacey, Sie kommen mit mir, wenn ich bitten darf.«
Rose drehte sich
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