Die schöne Schwindlerin
sie seinen Verteidigungswall noch weiter einreißen konnte. Er war in diesen Fall zu tief verwickelt. Sein erster Fall mit den Liars, und er brach sämtliche Regeln, die im Handbuch standen. Er war vielleicht ein Spionagechef!
Er rieb sich den Nacken und zwang seinen Verstand, sich zu konzentrieren. »Sie müssen mir alles von Anfang an erzählen, wenn wir herausfinden wollen, wer hinter Ihnen her ist. Wann haben Sie damit angefangen, Karikaturen zu zeichnen?«
Clara zögerte. Dalton schüttelte im Dunkeln tadelnd den Kopf und sagte: »Ich weiß bereits von der anderen Rose. Ich habe getan, was ich konnte, sie aus Wadsworths Haus herauszuholen. Ich weiß auch, dass die Trapps nichts mit Sir Thorogood zu tun haben. Ich versichere Ihnen, dass sie mit keinerlei Repressalien zu rechnen haben.«
Sie rutschte kurz auf ihrem Sitz herum, dann seufzte sie. »Also, gut. Sie wissen ja schon das meiste. Nachdem Bentley gestorben war, bin ich auf den Dachboden hinaufgegangen…«
Clara erzählte ihm alles. Als sie fertig war, war ihre Erleichterung unermesslich. Sie lehnte sich in die Kissen zurück, erschöpft und befreit. Ihr war zuvor überhaupt nicht klar gewesen, zu welcher Last ihr Doppelleben geworden war. »Also, was jetzt?«
Dalton erwiderte einen Moment lang nichts. Er war froh darüber, dass es so dunkel war, denn die Erleichterung musste ihm ins Gesicht geschrieben stehen. Ihre Geschichte war klar und folgerichtig und schrie vor Wahrheit. Sie war ein verrückter Wirbelwind von einer Frau, eine Kreuzritterin auf dem sicheren Weg zur Selbstzerstörung, aber keine Spionin. Unglücklicherweise würden sich die Liars nicht so leicht davon überzeugen lassen wie er.
»Wir brauchen einen Ort, wo wir heute Nacht bleiben können, und wir brauchen Bargeld. In ihrem Geschäft sind die Liars zwar die Besten, aber ich kenne ein paar Tricks, die selbst sie noch nicht gesehen haben.« Er hätte nie gedacht, dass seine Distanz zu den Männern ihm einmal zum Vorteil gereichen würde. Andererseits wäre er erst gar nicht in diese Lage geraten, wenn er auf der Stelle ihr Vertrauen gewonnen hätte.
»Falls Kurt mich erkannt hat, dann gibt es in London ein bestimmtes Haus, wo sie mich zu allerletzt erwarten. Falls er mich nicht erkannt hat, können wir die Nacht genauso gut komfortabel verbringen, und ich kann mit ein paar Menschen reden, denen ich vertrauen kann. Wir müssen herausbekommen, wer den Mordanschlag angeordnet hat und warum. Dieser letzte Angriff war definitiv gegen Sie gerichtet, also wissen sie mittlerweile, wer Sir Thorogood wirklich ist.«
Sie rutschte rastlos im Dunkeln herum, jede Bewegung ein Stoffrascheln und eine Woge süßen Dufts. Die Atmosphäre in der Kutsche wurde intimer. Aber vielleicht nicht intim genug.
»Ich bin nicht sicher, wie ich das verstehen soll. Wie haben die mich gefunden? Wie haben Sie mich gefunden?«
»Wir hatten seit über einer Woche jemanden an der
Sun
postiert, der auf eine Dienstbotin warten sollte, die eine Mappe abgibt.« Er schüttelte den Kopf. »Sie waren wirklich clever. Wir sind Ihnen einmal gefolgt, aber in diesem schlichten Kleid haben wir Sie in der Stadt ganz schnell wieder verloren.« Dann zog er ein finsteres Gesicht. »Sie hätten sich nie in derartige Gefahr begeben dürfen. Haben Sie überhaupt eine Vorstellung, was einer Lady, die ohne Begleitung in der Stadt unterwegs ist, alles passieren kann?«
»Lord Etheridge, pflegen Sie Ihr Personal auf Botengänge zu schicken?«
»Natürlich.«
»Immer in Begleitung? Sie wollen doch nicht ernsthaft behaupten, dass Sie nie ein junges Dienstmädchen alleine auf die Straße hinausgeschickt haben, selbst wenn es keine direkte Absicht war?«
Dalton setzte dazu an, ihr zu widersprechen, stellte aber fest, dass er es nicht konnte. Obwohl er es bestimmt nie wissentlich getan hatte, hatte er doch keine Order gegeben, es zu unterlassen.
Nachdem sie eine Weile auf eine Antwort gewartet hatte, fuhr sie fort. »Wenn eine Lady auf unseren Straßen nicht sicher ist, dann ist es keine Frau, sei es eine Hausiererin oder eine Prinzessin. Wie kommt es, dass Sie so scheinheilig sind?«
Er war kurz davor, die Beherrschung zu verlieren. »Sie sind die aufsässigste Person, die mir je begegnet ist.«
Sie blieb einen Augenblick lang wie vom Blitz gerührt still. Dann sagte sie leise: »Ich weiß auch nicht, warum ich solche Sachen zu Ihnen sage. Ich hab so etwas noch nie getan.«
Was war nur mit ihm los? Er stand kurz davor zu
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