Die schöne Spionin
geringste Mitleid. Wäre das Ruderboot ohne Dodd schneller gewesen, er hätte ihn eigenhändig über Bord gehen lassen.
»Wo ist sie?« James stand ungelenk auf, um das heller werdende Wasser abzusuchen. »Ich sehe nichts – oh, Gott,
nein!«
Simon hob den Blick von seiner verzweifelten Arbeit an den Riemen und sah das kleine Boot mit blankem Entsetzen kielaufwärts aus dem Wasser ragen wie eine tauchende Ente.
»Agatha!« Die Seevögel erwiderten James’ heiseren Schrei, der die unheimliche Stille durchdrang.
»Verdammt«, keuchte Johnny Dobb. »Sway hat keine Witze gemacht, was die Bilge angeht.«
Simon schrie nach Agatha und stand gleichzeitig auf, um Mantel und Stiefel abzustreifen, während das Ruderboot sich dem Wrack näherte. Als sie nur noch wenige Meter von dem sinkenden Schiff entfernt waren, stieß er sich hart ab und tauchte so tief es ging.
James folgte ihm kaum eine Sekunde später. Sie stießen sich kraftvoll nach unten und bekamen eine Leine zu fassen, die sich nach unten zur Luke spannte.
Das schimmernde Morgenlicht erreichte die kleine Luke nicht, die in die Eingeweide des kleinen Fischerboots führte. Aber am Kiel waren an einigen Stellen die Planken geborsten. Die Löcher ließen gerade genug Licht ein, sie die Hoffnung, Agatha zu finden, nicht aufgeben zu lassen.
Das Innere des Schiffs war voller Unrat, der jetzt frei herumtrieb. Vom Werkzeug bis zu hölzernen Fässern mussten sie alles zur Seite schieben, um ins Schiff zu gelangen.
Simon entdeckte über sich eine silbrige Luftblase, die in einer luftdichten Ecke gefangen war. Er schwamm darauf zu, steckte den Kopf hinein und atmete so viel wie möglich ein.
Er hatte nur Mund und Nase über Wasser, mehr Platz war nicht. Er atmete ein paar Mal schnell und wich zur Seite aus, um James hinzulassen.
Simon schwamm gerade in ein anderes Abteil, als das Schiff einen gewaltigen Ruck tat und sich zur Seite legte. Es würde bald ganz sinken, zu schnell, als dass sie noch flüchten konnten. Sie mussten hinaus, wenn sie überleben wollten.
Simon drehte sich um und schob James zur Luke. James schüttelte den Kopf, sogar im trüben Licht war der Schmerz ihm anzusehen. Als Simon nochmals schob, heftiger diesmal, drehte er sich widerwillig um und schwamm auf den kleinen Flecken aus Licht zu seiner Linken zu.
Simon sah ihm nach, um sicherzugehen, dass er es schaffte. Seine Lungen schmerzten und sein Körper war schon gefühllos, doch er würde nicht ohne sie gehen. Die Vorstellung, sie hier, in diesem dunklen Fluss zu lassen, war mehr, als er ertragen konnte.
Seine Liebe hatte sie umgebracht, und das Mindeste, das er jetzt noch für sie tun konnte, war sie nach Hause zu bringen. Er füllte noch einmal die Lungen in der mittlerweile schalen Luftblase und machte sich erneut auf die schreckliche Suche.
Als James auftauchte, war das Ruderboot nur einen halben Meter entfernt. Kurt beugte sich vor, packte ihn bei der Hand und zog ihn an Bord. Die anderen Männer beobachteten etwas hinter ihnen.
»Ahoi, da drüben!«, kam ein Schrei über das Wasser. James rollte sich herum, rang immer noch nach Luft und sah, wie von einem großen Schoner, der in einiger Entfernung ankerte, ein Beiboot auf das havarierte Fischerboot zukam.
James wusste, er hätte antworten oder um Hilfe bitten müssen, aber vor seinen Augen tanzten dunkle Punkte, und seine Brust war vor Kummer zugeschnürt. Er war dankbar, als Dobb aufstand. »Ma… äh, Frau über Bord«, schrie er.
Das kleine Boot kam rasch näher. James sah einen Mann im Bug stehen, einen Fuß auf den Bug gestützt. Der Bursche legte wieder die Hände um den Mund.
»Noch eine?«, rief er.
»Was?«, krächzte James.
Noch eine?
Agatha!
Er zog sich hoch und klammerte sich am Segel fest. »Aggie!«
Ein hoher Schrei kam über das Wasser, und James war einen Moment lang sicher, es seien nur die Möwen gewesen, die über ihm weinten. Doch dann hörte er, was er nie mehr zu hören geglaubt hatte.
»Jamie!«
Sein Herz hüpfte vor Freude. James drehte sich um, um sein Glück mit Simon zu teilen.
Aber Simon war nirgendwo zu sehen.
James packte Kurts massigen Arm. »Simon ist immer noch da unten!«
Sie war nicht da. Er hatte jeden Winkel des kleinen Fischerboots abgesucht, bis er seine Arme und Beine nicht mehr fühlte und das bisschen Luft ihn nicht länger versorgen konnte.
Er hing reglos im Wasser, die Nase an der winzigen Luftblase. Seine Lungen wollten mehr, aber er wusste, die Luft war aufgebraucht.
Ihn
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