Die schöne Spionin
schmerzvoll an ihre gebundenen Arme und schlug ihr die Luft aus den Lungen. Aber sie hatte ihren langsamen Fall ins dunkle Wasser gestoppt.
Sie bewegte sich vorsichtig. Falls es ihr gelang, sich auf den Bauch zu rollen, so dass sich der Mast in ihre Seite presste, dann konnte sie mit der Glasscherbe in ihrer rechten Faust an den Fesseln der linken Hand Weiterarbeiten.
Es war erstaunlich, dass sie die Scherbe in ihrer Panik hatte festhalten können. Ohne die Scherbe hätte sie sich gleich in den kalten Fluss fallen lassen können, denn es gab keinen Ausweg, wenn sie sich nicht losschnitt.
Sie schaffte die Drehung ohne von ihrer unbequemen Halterung zu rutschen, obwohl ihr Kopf jetzt genau wie die Beine nach unten hing. Ihr war, als müsse sie in zwei Teile brechen.
Nicht nachdenken. Schneiden.
Sie schnitt seit Stunden. Das Seil war dick und sie konnte nicht sehen, was sie tat. Sie hatte viel Zeit an eine Schlinge verloren, die sich am Ende als Seilende erwiesen hatte, welches eh schon frei herunterhing.
Sie zerrte zur Probe mit den wunden Knöcheln an den Fesseln, probierte erneut die Knoten aus. Hatte da etwas nachgegeben? War sie der Freiheit schon so nah?
Nicht hoffen. Nicht verzweifeln. Nur schneiden, verdammt.
Simon ging im Club auf und ab, die sauber geschriebene Liste der Köchin in der Hand. Seine Liars hatten gute Arbeit geleistet.
Die
Mary Klar
war in Wirklichkeit die
Marie Claire.
Sie war zuletzt am East-India-Dock gesehen worden, das bestätigte der Registerabschnitt aus Feebles’ Schublade. Das hieß, dass die Suchkräfte von den Hauptdocks abgezogen werden konnten, um sich ganz auf die Docks der East India Company zu konzentrieren.
Ein kleines altes Fischerboot entsprach so gar nicht dem Stil der Company, die
Marie Claire
sollte also relativ leicht zu entdecken sein… es sei denn, die Docks der East India Company waren mit Hunderten ihrer eigenen Schiffe randvoll belegt.
Die andere Neuigkeit war keine so gute. Die
Marie Claire
war von ihrer Besatzung aufgegeben worden und neigte dazu, alarmierende Mengen Wassers aufzunehmen.
Simon war fast gelähmt vor Angst um Agatha. Die Vorstellung, sie könne unter Deck gefangen sein, allein in einem sinkenden Schiff… Er zerknüllte das Papier in der Faust. Nein. Er würde sie nicht aufgeben, so lange er ihren leblosen Körper nicht in den Armen hielt. Bis dahin lebte sie. Und er würde sie rechtzeitig finden.
James kam herein und warf den nassen Mantel über einen Stuhl. »Bis jetzt hatten sie am East-India-Dock kein Glück. Ich habe Stubbs als Kontaktperson positioniert, alle wissen, wo er zu finden ist und dass sie ihm alle Neuigkeiten mitteilen sollen.« Er beäugte das zerknüllte Papier in Simons Hand. »Irgendwas Neues?«
Simon schüttelte den Kopf. »Nicht, seit wir uns das letzte Mal gesprochen haben.«
»Was ist mit diesem Dobb? Er wusste immerhin, wo das Boot war.«
»Aber vor Wochen. Er hat unter Umständen nicht die leiseste Ahnung, wo sie jetzt ist. Trotzdem halten wir nach ihm Ausschau.«
»Es dämmert schon fast. Sie haben sie jetzt seit sechzehn Stunden in der Gewalt. Sie könnten überall sein.« James fuhr sich mit den Fingern durch die Haare. »Wir brauchen mehr Männer.«
»Wir haben ihre Dienstboten, meine Dienstboten und jeden verfügbaren Liar an den Docks. Es sind einfach zu viele Schiffe da draußen, James.«
»Kleine, dreckige Fischerboote wie die
Marie Claire
?«
»Du würdest staunen«, sagte Simon grimmig.
»Als ich ihnen entwischt bin, lagen sie ziemlich weit draußen auf Reede. Vielleicht sollten wir unsere Suche auf die Schiffe beschränken, die außerhalb der Docks ankern.«
»Schiffe bewegen sich. Das ist ja genau der Punkt.«
»Das weiß ich«, schnarrte James. »Ich dachte nur…«
»Entspann dich. Wir finden sie.«
James holte tief Luft und fragte: »Wohin gehst du jetzt?«
»Zum East-India-Dock. Ich suche die Schiffe ab, die vor den Docks vor Anker liegen.«
James blickte auf. »Aber du hast doch gesagt…«
»Kommst du jetzt mit oder nicht?«
James packte seinen Mantel und schob Simon zur Tür hinaus.
Der Nebel legte sich zwar bereits, als die Männer zum East-In-dia-Dock marschierten, aber Simon hoffte, dass es ein beeindruckender Anblick war, wie sich der Pulk durch den Nebel schob.
Hoffentlich beeindruckend genug, ein paar von den permanenten Hafenbewohnern zur Kooperation zu bewegen. Simon war es mittlerweile egal, ob die Kooperation der Hilfsbereitschaft entsprang oder dem Messer in Kurts
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