Die schöne Spionin
ganz über ihn hinweg, egal, wie es geendet hat.«
»Oh, du meine Güte. Das klingt nicht gerade viel versprechend.«
»Aber das soll nicht heißen, dass Sie nie einen anderen lieben können. Vielleicht nicht so leichten Herzens, aber denken Sie an meine Worte, Sie werden wieder lieben… eines Tages.«
Agatha legte die Fingerspitzen an die schmerzenden Augen. »Aber nicht heute. Und morgen auch nicht.«
»Das lässt sich nicht sagen.«
»Heute und morgen wird es am schwierigsten, glaube ich. Dann kommt der Tag danach.«
Die beiden Frauen saßen eine Weile schweigend da, sannen über ihrem Tee und schwelgten in Erinnerungen. Dann erschien Pearson mit einer Attitüde unter der Tür, als habe er schon die ganze Zeit nach Agatha gesucht. Sie entschied, nicht nachzusehen, auf welcher Höhe sich seine Augenbrauen befanden.
»Madam, es ist eine Einladung für Mr Cunnington gekommen.«
Agatha zwinkerte. »Sieht so aus, als sei James in dem einen oder anderen Haus noch willkommen.«
»In der Tat, Madam. Es ist eine Königliche Einladung.«
Agatha lächelte. »Man hat mir gesagt, dass er einen Orden verliehen bekommt. Keiner hat es mehr verdient.«
»Ja, Madam. Die Einladung wurde von einem Königlichen Boten überbracht, er wartet auf Antwort.« »Natürlich.« Agatha streckte die Hand aus. »Wie schaffen Sie es nur, Worte in Großbuchstaben zu sagen, Pearson?«
»Jahrelange Übung, Madam.«
»Sie sind wirklich gut darin.«
Pearson verbeugte sich. »Danke, Madam.«
Die Einladung kam in Form eines gerollten Pergamentbogens mit Seidenband und prächtigem Siegel. Agatha zog das Siegel vorsichtig ab, um es für James aufzuheben. Schließlich bekam man so etwas nicht alle Tage.
Die Einladung richtete sich an James und bezog sich auf die Morgenaudienz im Palast, wo der Prinzregent James offiziell für einen »Akt des Heldenmuts« danken wollte.
In vier Tagen.
»In vier Tagen? Das kann Seine Königliche Hoheit nicht ernst meinen!«
Sogar Pearson wirkte besorgt. »Master James wird in vier Tagen noch nicht sehr erholt sein.«
»Dann muss ich ablehnen.«
Pearson räusperte sich. »Dazu würde ich nicht raten, Madam. Audienzen werden zumeist Monate im Voraus anberaumt. Man hat für Master James möglicherweise eine sehr einflussreiche Persönlichkeit zurückgestellt. Es schickt sich nicht, Seine Königliche Hoheit zu brüskieren.«
Agatha kaute auf der Unterlippe. »Wäre es zulässig, jemand anderen an seiner Stelle zu schicken?«
»Vielleicht. Falls Master James tot wäre.«
»Ah. Nun, denn. Dann muss ich vermutlich respektvoll Zusagen.«
Pearson räusperte sich. Agatha schaute auf. »Sie meinen, untertänigst Zusagen?«, fragte sie.
»Das wäre angeraten.«
Agatha dachte an ihre gesellschaftliche Dreck-am-Stecken-Position und beschloss, James so wenig Schaden wie möglich zuzufügen.
»Danke, Pearson. Würden Sie mir freundlicherweise meine Schreibunterlagen holen? Und dann bleiben Sie bitte. Ich habe das Gefühl, ich werde Ihren Rat brauchen, um die passenden Worte zu finden. Ich mache mich sonst noch zur Närrin.«
»Aber ganz gewiss, Madam.« Er war fort, bevor Agatha noch herausfinden konnte, welchem Teil ihrer Ausführungen Pearson zugestimmt hatte.
Simon nickte, weil Stubbs gerade etwas gesagt hatte, nur hatte er nicht zugehört. Sein Blick kehrte immer wieder zu dem Feuer im Kamin von Jackhams Büro zurück. Die Flammen erinnerten ihn an das goldene Licht auf Agathas Haut, als sie in jener ersten schicksalhaften Nacht die Hand nach ihm ausgestreckt hatte.
»Sie glauben also, dass der Griffin bald wieder auf seinen Posten zurückkehrt, Sir?«
Simon konzentrierte sich mit Gewalt. »Wie? Oh, möglicherweise, ja. Aber erst muss er gesund werden.«
»Sicher, ich dachte nur, vielleicht kann ich eine Art Lehre bei ihm machen, solange er bettlägerig ist.«
Stubbs sah Simon hoffnungsvoll an.
»Sieh an, Stubbs, ich hatte ja keine Ahnung, dass du Ambitionen in diese Richtung hast.«
»O
ja, Sir. Besonders nach der Nummer, die er auf Winchells Latrine durchgezogen hat. Ich hab gehört, das Zeug ist ne halbe Meile weit geflogen. Wünschte, ich hätt es sehen können.«
Simon zwang sich dazu, über das Ansinnen nachzudenken. Einen Lehrling auszubilden erforderte Zeit, weswegen er nie genügend qualifizierte Männer hatte. Keiner blieb freiwillig so lange draußen im Feld, diese Arbeit zu machen. Also wurden neue Männer immer nur angelernt, wenn Verwundungen oder Erschöpfungszustände ausheilen
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