Die schoene Tote im alten Schlachthof
aufklären. Und Ihnen kommt darin eine
Schlüsselrolle zu.«
»Mir?«, fragte Helena Claus, die sich ihre Tränen trocknete. »Mir
doch nicht. Ich bin doch hier nur die kleine Tippse.«
De Boer betrat das Besprechungszimmer. Überrascht schaute er auf die
in einer Kaffeelache schwimmenden Scherben auf dem Boden und anschließend auf
Helena Claus, die mit hängenden Schultern auf ihrem Stuhl saß.
»Chef«, richtete er das Wort an Ferschweiler, »kannst du bitte mal
kurz rauskommen?«
»Sie entschuldigen mich, Frau Claus?«
Ferschweiler stand auf und ging mit de Boer auf den Flur hinaus.
Triumphierend zog sein Assistent ein Foto aus seiner Tasche.
Ferschweiler konnte es nicht fassen. »Das gibt’s ja gar nicht«, sagte
er ungläubig. »Na, da bin ich jetzt aber platt.«
»Hab ich mir doch gedacht, Chef, dass du so reagieren würdest. Ich
konnte es auch zuerst nicht glauben.«
Unverzüglich ging Ferschweiler ins Besprechungszimmer zurück.
»Frau Claus«, setzte er die weitere Befragung ohne Umschweife fort,
»haben Sie nicht immer so von Melanie Rosskämper gesprochen, als ob Sie die
Dame nur sehr flüchtig gekannt hätten?«
Helena Claus sah erstaunt auf. »Ja«, antwortete sie. »Ich kannte Frau
Rosskämper tatsächlich nur als Teilnehmerin sowie als Mitglied unseres
Fördervereins.«
»Sonst nicht?«, setzte Ferschweiler nach.
»Nein, wieso?«
»Das heißt, Sie kannten sie nicht näher?«
»Nein, überhaupt nicht. Aber warum fragen Sie das?«
»Weil ich mir das hier nicht erklären kann.«
Ferschweiler legte das Foto, das ihm de Boer gerade gegeben hatte,
vor Helena Claus auf den Tisch.
Schlagartig wich die Farbe aus ihrem Gesicht. Leichenblass betrachtete
sie die Aufnahme, dann sackte sie in sich zusammen. Das Foto zeigte sie und
Melanie Rosskämper nackt im Turmzimmer der Akademie in eindeutiger Pose.
»Schnell, de Boer. Ein Glas Wasser. Sie ist ohnmächtig geworden.«
Ferschweiler hatte Helena Claus gerade noch auffangen können.
Langsam kam sie wieder zu sich, aber erst nachdem ihr de Boer einen Schluck Wasser
eingeflößt hatte, war sie wieder ansprechbar.
»So ein Schwein«, jammerte sie. »Warum hat er das nur getan?«
»Ich glaube«, sagte Ferschweiler, »weil er Sie damit in der Hand
hatte. Aber was wollte er von Ihnen? Warum hat er Sie erpresst?«
»Er hat mich nicht erpresst. Er wollte von mir die Daten der
Teilnehmer«, antwortete Helena Claus. »Besonders haben ihn diejenigen
Teilnehmer interessiert, die finanziell gut dastehen. Kafka hat vor, in
Luxemburg eine eigene Kunstschule zu eröffnen. Und dazu brauchte er
zahlungswillige Kunden. Ich habe ihm die Adressen gegeben und ihm geholfen,
unsere Teilnehmer abzuwerben.«
Ferschweiler wurde hellhörig. Bestand die Möglichkeit, dass Kafka
nach Luxemburg geflohen war?
»Freiwillig? Sie sagten, er habe sie nicht erpresst«, sagte er.
»Ja, freiwillig. Ich habe es aus Liebe getan. Dass er solche Fotos
von mir hat, davon habe ich nichts gewusst. Das ist eine Katastrophe!«
»Nun beruhigen Sie sich erst einmal«, wollte de Boer sie trösten.
»Noch hat das Foto außer uns keiner gesehen.«
Ferschweilers strafender Blick brachte ihn jedoch schnell zum Schweigen.
»Aber warum haben Sie uns dann erzählt, Kafka habe sich die Daten
selbst von Ihrem Rechner gezogen?«, wollte Ferschweiler wissen. »Warum haben
Sie uns überhaupt davon erzählt und in diesem Zusammenhang seinen Namen ins
Spiel gebracht? Sie waren doch seine Komplizin.«
»Er hat sich in letzter Zeit immer mehr von mir zurückgezogen.
Sprach kaum mehr mit mir, fasste mich nicht mehr an. An das, was vorher lief,
war gar nicht mehr zu denken. Gestern Nacht, das war eine seltene Ausnahme. Er
hatte mir die ganze Zeit über versprochen, er würde mich an seiner neuen
Akademie zur Verwaltungschefin machen. Und ich dumme Kuh habe ihm das geglaubt.
Dabei hatte er das nie vor. Ich war enttäuscht und verletzt, ich habe mir
gedacht, ich könnte ihm damit einen Denkzettel verpassen. Dass ich mit Ihnen
über Laszlo geredet hatte, habe ich letzte Nacht dann bereits wieder bereut,
auch wenn er mich damit wahrscheinlich nur wieder hinhalten wollte.« Sie schluchzte
laut. »Hätte ich das vorher gewusst, ich hätte mich nie auf ihn eingelassen …«
»Wissen Sie denn, wo er diese neue Akademie aufbauen will und wie er
sie zu finanzieren gedenkt? Mit der Adresse würden Sie uns sehr weiterhelfen,
Frau Claus.«
»Ja, er hatte bereits sehr konkrete Pläne. Ich weiß, dass er
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