Die schoene Tote im alten Schlachthof
einer
scharfen Klinge verzogen, »war, dass die Rosskämper auch noch versuchte, sich
mit meiner Technik der Körperbemalung zu profilieren. Wo kommen wir denn da
hin? Darauf habe ich eine Art Monopol. Ich habe sogar versucht, mir diese
Technik gesetzlich schützen zu lassen, aber hier in Deutschland geht das leider
nicht. Und dann wollte die Rosskämper auch noch, dass ich ihre Arbeiten meinen
Galeristen zeige.«
Die Künstlerin war außer sich. Zum ersten Mal erkannte
Ferschweiler, dass sich unter dem fliegenpilzartigen Poncho auch Arme
verbargen.
»Das ist doch Betrug, ein reines Plagiat! Und geschäftsschädigend noch
dazu! Und soll man so etwas dulden? Herr Kommissar, was sagen Sie denn? Gehört
die Idee an einer Sache denn niemandem mehr? Kann sich denn jeder einfach so
überall bedienen?«
Ferschweiler musste Moni Weiß beipflichten. Auch er war der Meinung,
dass Erfindungen und Ideen geschützt werden mussten. Allerdings kannte er sich
im Metier der Kunst nicht aus. Daher antwortete er ausweichend: »Wenn es um
richtige Werte geht, schon, aber bei Bildern ist das vielleicht nicht ganz so
zentral …«
»Ja, ja. Sie haben gut reden«, erwiderte Moni Weiß immer noch sehr
erregt. »Ihnen wird ja nichts geklaut. Bei Ihnen ist alles mehr oder weniger
Teamarbeit. Hier aber agieren Individualisten! Hier arbeitet man immer nur für
sich und gegen andere. Deshalb ist das Lehren an der Akademie auch so
schwierig. Können Sie sich vorstellen, wie nervig es ist, wenn alle Teilnehmer
eines Kurses sich nur an ihrem Dozenten orientieren? Die sollen lernen, ihre
eigenen kreativen Energien fließen zu lassen, und nicht, sich an dem Deppen
vorn zu orientieren.«
Sie hielt inne und wurde nachdenklich.
»Die Schule, Herr Ferschweiler, die Schule ist schuld. Da werden wir
versaut für ein kreatives, aus uns selbst heraus schöpfendes Leben. Glauben Sie
mir, ich weiß, wovon ich spreche.«
Ferschweiler hatte eine ungefähre Ahnung davon, was die Künstlerin
meinte. Seine Erinnerungen an die Schulzeit waren auch nicht die besten.
»Aber zurück zu Melanie Rosskämper, Frau Weiß«, versuchte er, dem
Gespräch wieder eine sinnvolle Richtung zu geben. »Was genau hat Frau
Rosskämper denn nun gemacht?«
»Sie war sehr engagiert, ganz ohne Zweifel. Sie war die Erste, die
morgens im Atelier war, und die Letzte, die abends ging. Oft hat sie sogar
nachts gearbeitet. Ich war eigentlich immer dagegen, dass sie für das Atelier
andere Arbeitszeiten gestattet bekam als die übrigen Teilnehmer. Aber sie hatte
halt so ihre Kontakte zur Verwaltung. Ihr Mann ist ja, wie Sie sicherlich schon
wissen, Vorsitzender des Fördervereins. Er wiederum besitzt beste Kontakte in
der Landes- und Lokalpolitik sowie in die hiesige Wirtschaft. Und Frau Dr. Berggrün
hoffte durch ihn, die Akademie dauerhaft besser im öffentlichen Bewusstsein zu
platzieren und fördern lassen zu können. Insofern ist es für mich eine
lässliche Sünde, dass Dr. Berggrün der Rosskämper so manches Privilegium
eingeräumt hat, das andere nie bekommen hätten. Früher wäre an der Akademie für
jeden um acht Uhr Schluss gewesen. Aber die Rosskämper, die durfte auch nachts
noch arbeiten.«
Ferschweiler hatte sich alles Wesentliche notiert. Aber er hatte noch
weitere Fragen.
»Und wie verhielt sich Frau Rosskämper in Ihrem Kurs?«
»Gegenüber den anderen Kursteilnehmern war sie eher abweisend und
kühl, arrogant könnte man vielleicht sogar sagen. Und ich glaube, die anderen
mochten sie deshalb auch nicht. Sie saß immer an ihrer Staffelei in einer Ecke
des Ateliers und sprach fast nie mit den anderen. Wenn einer ihr beispielsweise
einmal Kuchen oder etwas anderes anbot, wandte sie sich immer angewidert ab.
Sie wollte keinen Kontakt.«
»Wissen Sie, ob Melanie Rosskämper unter Allergien litt?«
»Nein, das weiß ich nicht. Sie hat auch nie über private Dinge gesprochen.
In unseren Gesprächen ging es immer nur um ihr Vorankommen als Künstlerin. Sie
drehten sich nur um das Verbessern ihrer Technik und Ähnliches. Melanie
Rosskämper hatte kein wirkliches Interesse an anderen Menschen, wenn Sie mich
fragen. Sie war das, was man in Norddeutschland einen kalten Fisch nennt.«
Ferschweiler nickte versonnen. De Boer sagte immer noch kein Wort.
»Und warum ist sie gestern allein im Atelier geblieben, während Sie
mit Ihrer Klasse nach Luxemburg gefahren sind? Waren da persönliche Differenzen
im Spiel?«, fragte Ferschweiler.
»Nein, Herr Kommissar, das
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