Die schoene Tote im alten Schlachthof
es gelungen, die Spur quer durch den Wald
bis zur Pellinger Straße, der B268, zu verfolgen. Dort hatte sie sich jedoch
verloren.
»Der Mörder ist dort höchstwahrscheinlich in ein Fahrzeug gestiegen.
Allerdings haben wir an der betreffenden Stelle so viele Reifenspuren gefunden,
dass wir nicht auf das Fahrzeug des Täters schließen können, denn auch viele
Spaziergänger und Jogger stellen an dieser Stelle ihre Autos ab. Tut mir leid,
Rudi.«
Schorsch klang für einen Augenblick tatsächlich etwas
niedergeschlagen, fuhr dann aber fort: »Aber dafür haben wir etwas anderes: Bei
dem Schuhabdruck am Tatort handelt es sich mit ziemlicher Sicherheit um einen
Tennisschuh der Marke Nike, Modell ›Gouvernator‹, Größe 43.«
Damit war Georg Wingertszahn-Lichtmeß am Ende seiner Ausführungen
angelangt. Er rief noch ein kurzes »Tschö«, und im nächsten Augenblick hatte er
bereits aufgelegt. Das plötzliche Ende des Telefonats verwunderte Ferschweiler
nicht weiter. Schließlich war er nicht erst seit gestern bei der Trierer
Polizei und kannte mittlerweile die etwas seltsame Art seines Kollegen.
Ihn stimmten Schorschs Ausführungen nur mäßig optimistisch. Er hatte
ernsthaft darauf gehofft, dass die Spur des Täters sich weiter würde verfolgen
lassen. Zu dumm, dass es keinen Hinweis auf das Fluchtfahrzeug gab. Aber die
Sache mit der ägyptischen Zigarette hatte ihn hellhörig gemacht, weil es das
erste Indiz für eine Verbindung zwischen den beiden Morden war. Dem musste er
nachgehen, und er wusste auch schon, wer ihm in dieser Sache weiterhelfen würde.
Aber zunächst waren noch immer Melanie Rosskämpers Dozenten an der
Kunstakademie an der Reihe. Immerhin hatte Dr. Süß ihm die Prioritäten bei den
Ermittlungen gerade erst unmissverständlich klargemacht. Er sollte sich
vordringlich um die Aufklärung des Mordes an Melanie Rosskämper kümmern.
Ferschweiler hatte es tatsächlich auch nicht anders erwartet. Was war schon
eine Putzfrau im Gegensatz zur Frau eines angesehenen und vermeintlich wohlhabenden
Mediziners, die zudem einer renommierten Familie von der Mittelmosel
entstammte?
Es war doch immer dasselbe, dachte Ferschweiler bitter.
SECHS
Am nächsten Morgen traf Ferschweiler sich mit de Boer an
der Kunstakademie. Es war acht Uhr, als der Holländer seinen Wagen im Innenhof
des alten Schlachthofs abstellte. Das Hinweisschild, dass der Hof nur zum
Ausladen gedacht sei und man sein Fahrzeug doch bitte an einer anderen Stelle
parken möge, übersah er dabei geflissentlich. Ferschweiler war bereits schon
etwas länger auf dem Gelände. Er hatte, nachdem Rosi heute Morgen schon um
knapp halb sechs aufgestanden war, um zum Großmarkt zu fahren, keine Ruhe mehr
gefunden, war nach dem Frühstück schon früh zur Akademie geschlendert und auf
dem Gelände auf und ab gegangen, um dabei seinen Gedanken nachzuhängen.
Missmutig grüßte er seinen Assistenten, dessen gute Laune ihn heute
irgendwie nervte. Vermutlich lag es am fehlenden Kaffee – bei Rosi war der
Vollautomat gestern Abend kaputtgegangen, und ohne Koffein war Ferschweiler,
wie selbst Rosi einmal geäußert hatte, morgens nahezu unausstehlich. Schweigend
gingen die beiden auf das Verwaltungsgebäude zu.
Helena Claus kam ihnen entgegen. Ihr mittellanges, welliges dunkles
Haar trug sie heute offen. In ihrer eng anliegenden Jeans, der hellblauen Bluse
und der schwarzen Strickweste war sie eine durchaus aparte Erscheinung, wie
Ferschweiler, der bei dem Gedanken an Rosi fast schon ein schlechtes Gewissen
bekam, feststellen musste. Zwar entsprach sie nicht unbedingt seinem weiblichen
Idealbild, dazu war sie ihm zu schlank, aber irgendetwas an ihr hatte sein
Interesse geweckt.
»Guten Tag, die Herren«, begrüßte sie ihn und de Boer. »Wie schrecklich,
was mit Frau Kinzig passiert ist … Damit Sie in Ruhe arbeiten können,
haben wir die ehemalige Lithowerkstatt für Sie noch etwas bequemer gestaltet.
Wenn Sie erlauben, begleite ich Sie ein Stück auf Ihrem Weg.«
Während sie sprach, hatte sie de Boer keines Blickes gewürdigt, Ferschweiler
jedoch nicht aus den Augen gelassen. Innerlich grinste Ferschweiler zufrieden.
Helena Claus ging vor den beiden her über den Platz in Richtung Kunsthalle.
»Wen wollen Sie heute denn verhören, Herr Kommissar?«, fragte sie neugierig.
»Zunächst hätte ich einige Fragen an Sie, Frau Claus.«
»Nur zu«, sagte sie, »ich helfe, wo ich kann.« Sie zog eine Visitenkarte
aus ihrer Hosentasche und reichte
Weitere Kostenlose Bücher