Die Schöne und der Leopard (German Edition)
Dreharbeiten, die nichts anderes zu tun hatte, als das Publikumsinteresse daran wach zu halten. Von den psychischen Problemen der Hauptdarstellerin hatte die Agentin wohlweislich nichts erwähnt. Die schöne Scheinwelt musste erhalten bleiben, und da galt es genau zu unterscheiden, was hineinpasste und was nicht.
Die Love Story zwischen der schönen Sue-Ann und dem Hollywood-Wunderkind und Erfolgsregisseur Anderson passte.
Auf Anweisung von Bill Dallas zimmerten die Filmarbeiter an einem gewaltigen Tor, wie Anderson es sich vorstellte. Ira Gershfield, der oberste Chef der Global Pictures, hatte Ed Anderson per Bildtelefon auf die väterliche Tour herangenommen und ihn überzeugt, dass wegen der Szenen mit dem Tor die Dreharbeiten nicht zu stocken brauchten.
Der mit allen Wassern gewaschene Gershfield hatte Andersons Talent in den höchsten Tönen gelobt und sich für seine Idee mit dem Tor begeistert.
»Dann willst du den Film auch möglichst schnell in den Kinos haben«, hatte er gesagt. »Also beeil dich. Das Tor kommt später noch rechtzeitig genug in den Film hinein.«
Der Tor mit seinem Tor, dachte Dallas, als er wieder einmal die Arbeiten an dem monströsen Tor überprüfte. In Hollywood wäre es leicht herzustellen gewesen. Es hätte aus Styropor sein und gegossen werden können. Wenn das Styropor erst mal gestrichen war, erkannte es im Film niemand mehr als solches. Beim Film wurde eine Menge aus Styropor hergestellt, einschließlich ganzer Festungen, die verkleinert maßstabsgerecht gebaut und dann mit Trickverfahren riesig in den Film einkopiert werden konnten.
Per Computerretusche ließ sich fast alles bewerkstelligen. Anderson bestand jedoch auf seinem echten Holztor.
Dazu hatten aus Abidjan Motorsägen und Werkzeuge herbeigeschafft werden müssen. Bäume wurden gefällt und zersägt. Es war eine Heidenarbeit.
»Das Tor zum Jenseits, das Tor der Zeit«, sagte der Regisseur, als Dallas ihn auf die immense Arbeit hinwies. »Dieses Tor hat eine besondere Bedeutung. Denk an die Aura, die jenes Tor Kurosawas in Rashomon hatte. Das kannst du nicht mit Styropor erzeugen.«
»Warum nicht?«, fragte der Produktionsleiter.
»Du würdest wohl sogar die Szene von der Kreuzigung Christi mit einem Kreuz aus Styropor drehen, Bill?«
»Klar.«
Anderson ließ den massigen Mann stehen. Er wäre sonst verbal äußerst auffällig geworden, wobei Worte wie Banause und Armleuchter noch zu den freundlichsten Kommentaren gezählt hätten. Der Regisseur suchte lieber Sue-Ann auf. Hand in Hand gingen sie zu dem fast fertig gestellten Tor, das am Rand der nachgebauten Faktorei – auch hier hatte Anderson auf präziser Arbeit bestanden – in den Himmel ragte.
Abrupt, wie in tropischen Breiten üblich, brach die Dunkelheit ein. Der Chor der Dschungeltiere erklang. Sue-Ann fröstelte trotz der Schwüle.
»Mir ist unheimlich zumute. Dieses Tor ist monströs und beeindruckend. Erinnerst du dich an die Geschichte über die Unwesen der Vorzeit, die uns Lomungé erzählte?«
»Über die Leopardenmenschen von N'Chiba, Mu und Lemuria? Aber natürlich. Vielleicht lässt sich das mal in einen Fantasy-Film einarbeiten. Ich habe mir alles notiert und werde die Idee weitergeben. Selbst werde ich allerdings kaum die Regie bei einem solchen Film führen. Es ist nicht meine Richtung.«
»Mit Schwarzenegger als Leopardenmann in der Hauptrolle und einigen Änderungen im Plot könnte es interessant sein«, bemerkte Sue-Ann mit dem launischen Versuch, sich von ihren Sorgen abzulenken.
»Warum nicht?«, Anderson grinste. »Wenn er einen Leopardenkopf trägt, schadet das Schwarzeneggers Mimik überhaupt nicht. Sie könnte höchstens ausdrucksvoller werden.«
Sue-Ann fröstelte, obwohl die Tropennacht schwül war. Die Schauspielerin lauschte.
»Hörst du die Trommeln, Ed?«, fragte sie.
Der Regisseur stutzte. Fängt sie schon wieder an, dachte er?
»Ich höre nur das Rauschen des Flusses und die Tierstimmen im Dschungel, Darling.«
»Ich höre die Trommeln ganz deutlich. Sie erklingen hinter dem Tor – deinem Tor.«
Anderson stand entschlossen vom Boden auf, wo sie sich niedergesetzt hatten. Er ging zu dem Tor und stemmte es mit aller Kraft auf. Der schwere Flügel öffnete sich knarrend. Nachtschwärze herrschte hinter dem Tor. Flimmernde Pünktchen tanzten darin auf und ab.
Plötzlich schrie Sue-Ann, die dem Regisseur gefolgt war: »Oh Gott, da ist ja ein Leopard!«
Anderson sah zwei leuchtende Punkte. Vorsichtig, um die
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