Die Schöne und der Leopard (German Edition)
ist kalter Kaffee dagegen.« Der Regisseur wandte sich an die im Zelt Versammelten. »Bleibt alle hier, bis wir wieder zurück sind.«
»Es sind Ungeheuer?«, fragte die Schauspielerin, die vorher schon wegen des von ihr vermuteten Massakers gezittert hatte.
»Beruhige dich, Sharon«, ermahnte sie Anderson. »Seid alle ruhig.«
Doch er vermochte nicht, die Panik zu unterbinden, die um sich griff. Ängstliche, schutzsuchende Menschen redeten durcheinander und drängten sich zusammen. Anderson ging unterdessen mit Bill Dallas zu der nachgebauten Faktorei.
Der Hauptdarsteller Tom Rawlins rannte an ihnen vorbei, in panischer Flucht. Das Gesicht des Heldendarstellers war eine von Todesangst verzerrte Grimasse. Auch andere Leute vom Filmteam flüchteten oder versteckten sich.
Jetzt fielen weniger Schüsse. Diejenigen, die sie abgegeben hatten, sahen die Nutzlosigkeit ihres Schießens ein und suchten lieber ihr Heil in der Flucht.
Jetzt endlich erblickte Bill Dallas, was Anderson erwähnt hatte. Er sah ein Bild, wie noch niemals zuvor in seinem Leben, das er niemals vergessen würde. Dem Produktionsleiter fiel die schwere Pistole aus der Hand, die er in Afrika mit sich herumschleppte.
»Oh!«, stöhnte Bill Dallas.
Mehr brachte er nicht über die Lippen. Was er zuvor wegen der Probleme genörgelt hatte, die ihm sein Job bescherte, war vergessen. Gegen das, was er hier sah, hatte er bisher noch überhaupt nichts Übles erlebt.
*
Vorher war Norma Blake an diesem Abend aufgestanden, nachdem sie den ganzen Tag in ihrer Unterkunft im Bett verbracht und gedämmert hatte. Träume von der Orgie der vergangenen Nacht und dem Leopardengott hatten sie heimgesucht. Die schwülen Gedanken beschäftigten Norma, bis die Sonne unterging.
Dann erhob sie sich, einem inneren Zwang folgend, zog ein dünnes Kleid an und schlenderte durch das Camp. Moskitos surrten. Norma Blake spürte die Stiche nicht. Sie näherte sich dem Bandama-Fluss und der nachgebauten Faktorei, die Palisaden umgaben. In einer Bucht dümpelte die nachgebaute Galeone, die in dem Film »Ivory Coast« eine Rolle spielte.
Im Hintergrund der Faktorei ragte das Tor in die Luft, das Anderson unbedingt gewollt hatte, um seinem Film einen hintergründigen, künstlerischen Touch zu verleihen. Als Norma Blake das Palisadentor erreichte, bei dem noch eine mit einer Plane verhängte fahrbare elektronische Filmkamera stand, begegnete ihr Sue-Ann Bailey.
»Geht es dir wieder besser?«, fragte die blonde Sue-Ann arglos.
In ihrem bunten und luftigen Terrassenkleid hätte sie jede Hollywood-Party besuchen können. Norma Blake schaute durch sie hindurch. Seit sie glaubte, mit dem Leopardengott verschmolzen gewesen zu sein, sah sie in Sue-Ann eine ihr haushoch Unterlegene.
Sie wollte an dem Star vorbeigehen.
Sue-Ann hielt sie am Ärmel fest.
»He, Norma, was ist los mit dir? Ist dir nicht gut?«
»Das geht dich überhaupt nichts an«, antwortete Norma Blake schnippisch. Sie antwortete dem blonden Star jetzt aber doch. »Eigentlich sollte ich deine Rolle haben. Außerdem bist du nicht würdig, die Mutter des Kindes von Tombé zu werden. Ich bin viel geeigneter als Auserwählte des Leopardengottes.«
Sue-Ann Bailey staunte. Norma Blake erschien ihr völlig verwandelt. Sie war mit ihr zwar nicht eng befreundet, hatte aber immer geglaubt, sie hätten ein gutes Verhältnis.
»Was willst du damit sagen?«
»Dass du für die Hauptrolle und als Geliebte Tombés eine Fehlbesetzung bist, klar? Aber es wird sich bald manches ändern. Dafür sorge ich schon.«
Sue-Ann hatte die Rivalin losgelassen. Kritisch musterte sie sie.
»Wenn ich nicht wüsste, dass du den ganzen Tag flachlagst, würde ich sagen, du hast einen Sonnenstich. Irgendwas ist dir nicht bekommen.«
Norma Blake schaute sie an wie die Katze, die den Rahmtopf leergeschleckt hatte.
»Wenn du wüsstest«, sagte sie. »Ich sage nur: Tombé und Lomungé. Der Leopardenmann wird nicht mehr zu dir kommen, sondern mich aufsuchen.«
»Das soll er ruhig«, entgegnete die Blondine schnippisch. »Ich gönne ihn dir gern – und dich ihm.« Als Norma weiterging, lief sie ihr nach und hielt sie abermals zurück. »Was ist los mit dir, Norma? Du bist völlig verändert. So kenne ich dich nicht.«
»Lass mich los. Ich will... Ich muss... Lass mich!«
Norma Blake dachte angestrengt nach, konnte aber nicht sagen, wohin es sie mit aller Macht zog. Sue-Ann schlich hinter ihr her. Sie folgte Norma durch die nachgebaute Faktorei,
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