Die Schöne und der Leopard (German Edition)
Kunst der Fiktion ist. Jetzt läuft mein Film.«
Sue-Ann verstand jedes Wort, obwohl Lomungé Kwa gesprochen hatte. Seine magischen Juju-Künste bewerkstelligten es. Die Schauspielerin blickte starr. Obwohl sie furchtbare Angst hatte, konnte sie sich nicht von der Stelle rühren, ja, nicht einmal mit einer Wimper zucken.
Vom anderen Ufer des Bandama ertönten Trommeln. Dumpf und unheimlich, rollend und grollend, schallten sie durch die Tropennacht. Sue-Ann spürte, dass etwas Unheimliches sich anbahnte, dass noch nie Dagewesenes drohte.
Sie wollte schreien, um ihre Kollegen vom Film zu warnen und Hilfe zu erbitten. Doch sie brachte keinen Laut über die Lippen. Lomungé deutete auf sie. Schritt für Schritt wich die Schauspielerin durch das Tor zurück, das vor ihren Augen, als sie direkt davorstand, bis zu den Sternen zu reichen schien.
»Tombé kommt!«, heulte der Medizinmann seinen Triumph hinaus. »Der Leopardengott kommt! N'Chiba wird auferstehen. Über den Abgrund der Zeit rufe ich Tombé und seine Untertanen, die Schrecken zu entfesseln, wie in der alten Zeit!«
Über dem Fluss wallte und brodelte es. Die Trommeln ertönten lauter. Sie schienen aus der Luft, dem Boden, Bäumen und selbst vom Himmel zu erschallen.
Über dem Fluss entstanden aus einem hellen Nebel Wesen oder vielmehr Unwesen, Ungeheuer, wie noch kaum eines Menschen Auge sie je erblickt hatte. Der Leopardenmann erschien, der Sue-Ann viel zu oft heimgesucht hatte, athletisch, mit Raubtierkopf und -krallen. Hinter ihm kamen seine Gefolgsleute, Leopardenmenschen und ungeschlachte Kreaturen, anzusehen wie Kreuzungen zwischen Menschen und Affen.
Diese Kreaturen hießen Lemuren. Sie waren die stumpfsinnigen Diener und Knechte der Leopardenmenschen gewesen. Aus dem Urwald ritt Norma Blake auf dem Leoparden herbei, anzusehen wie eine Dschungelgöttin. Der Leopard sprang mit weiten Sprüngen. Norma Blake flog dem Leopardengott förmlich entgegen.
»Nimm mich, Geliebter!«, rief sie.
Jetzt endlich wich der Bann von Sue-Ann. Sie konnte sich wieder bewegen. Schreiend rannte sie ins Filmcamp, wo aufgeschreckte Menschen zusammenliefen. Hinter ihr quoll Tombé mit seiner Horde von Leopardenmenschen und Lemuren, mit Lomungé mit seiner Tanzmaske und Norma Blake auf dem Leoparden durch das gewaltige Tor.
Ein schreckliches Bild war es. Denjenigen Filmleuten, die es sahen, wollte das Blut in den Adern stocken. Schon knallten die ersten Schüsse und ratterten sogar Feuerstöße gegen die schaurige Horde.
*
Sue-Ann hatte sich in ihrem Zelt verborgen. Sie bebte, denn sie dachte, dass Tombé sie holen wollte. Die im Camp wohnenden Schwarzen stoben davon wie Spreu im Wind, panisch erschrocken und aschgrau im Gesicht. Sie rannten, so weit sie die Füße trugen, blindlings dahin, ohne auch nur im Geringsten an die Gefahren des Dschungels zu denken.
Inzwischen sahen Ed Anderson und Bill Dallas das schaurige Bild. Noch klumpte sich Tombés Horde ums Tor zusammen. Norma Blake hielt zwischen den Leopardenmenschen und Lemuren, ganz in der Nähe ihres vergötterten Tombé.
Dallas kniff sich in den Arm und zwinkerte mehrmals, weil er seinen Augen nicht trauen wollte.
»Hol mich der Teufel!«, stöhnte er. »Spinne ich, oder bin ich im Delir? Das kann doch nicht wahr sein.«
Die Mannlicher krachte. Anderson hatte auf Tombés Brust geschossen. Aber der Leopardenmann lachte nur. Mit einer Handbewegung schleuderte er einen kleinen, plattgeschlagenen Gegenstand gegen den Regisseur. Anderson hob ihn auf.
Es war die plattgeschlagene Kugel.
»Das ist eine Begegnung der Vierten Art«, keuchte er, im Filmjargon bleibend.
Die der Dritten war laut dem Spielberg-Film der Kontakt mit außerirdischen Intelligenzen. Hier handelte es sich um vorzeitliche Fabelwesen, die über den Abgrund der Zeit gekommen waren.
»Was sollen wir denn bloß tun?«, fragte Bill Dallas, während sich die letzten Mitglieder des Filmteams, die einen Widerstand versucht hatten, zurückzogen und versteckten.
»Das weiß ich auch nicht«, erwiderte Anderson. »Lass mich mal überlegen. Wir verstecken uns erst mal.«
Die beiden Männer zogen sich hinter ein Zelt zurück.
Die Weißen blieben im Camp. Sie bebten und zitterten. Am einfachsten kam Doc Filmore weg.
Er sah den Schrecken, holte die Brandyflasche aus der Tasche der Khakijacke, zuckte die Achseln und sagte philosophisch: »Einmal musste es ja so kommen. Da ist wieder mal eine Entziehungskur fällig.«
Damit setzte er die Flasche an
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