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Die schoene und der Lord

Titel: Die schoene und der Lord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaclyn Reding
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sich ganz allein gesichert hatte.
    Stunden später, nachdem die anderen sich schon längst zu Bett begeben hatten, erhob sich sein Vater aus dem Sessel, um sich seinerseits zurückzuziehen. Bevor er ging, richtete er noch einmal das Wort an seinen Sohn: Er sagte Robert, daß er stolz auf ihn sei. Dies waren die letzten Worte, die Robert jemals von seinem Vater hören sollte.
    Obwohl es schon weit nach Mitternacht war, hatte Robert keine Müdigkeit verspürt. Er war viel zu sehr mit dem beschäftigt, was er alles erreicht hatte - die Heirat, die finanzielle Unabhängigkeit und die Sammlung, alles Garanten einer sicheren Zukunft. Also war er noch in der Bibliothek geblieben, um zu lesen, er wußte nicht einmal mehr, was, aber das Buch oder der Portwein, den er dazu getrunken hatte, hatten ihn in dem weichgepolsterten Ohrensessel vor dem offenen Kamin bald einschlummern lassen.
    Wenig später wurde Robert von beißendem Rauchgeruch geweckt, und sein erster Gedanke war, daß der Kamin irgendwie verstopft war und sich der Raum mit Qualm vom Kaminfeuer füllte. Als er endlich erkannte, daß der Rauch von außen ins Zimmer drang, standen die oberen Stockwerke des Hauptgebäudes bereits lichterloh in Flammen, kroch das Feuer über die Schwelle des großen Treppenaufgangs auf ihn zu, während er knapp außer ihrer Reichweite stand.
    Trotzdem versuchte Robert, sich einen Weg durch das Flammenmeer zu bahnen, um seinen Angehörigen das Leben zu retten, die dahinter in der Falle saßen. Er gelangte bis zur Tür des Kinderzimmers, dem ersten Raum in jenem Flügel, wo er den kleinen Jamie vorfand, der bewußtlos in seinem Bett lag. Robert riß den Jungen an sich und rannte mit ihm hinaus, während er laut um Hilfe rief. Dann legte er ihn vorsichtig ins taubenetzte Gras vor dem Hauptgebäude, wo die Dienerschaft schon eine Kette bildete, um das Feuer zu bekämpfen.
    Als Robert wieder ins Haus zurückkehrte, waren die Flammen bereits außer Kontrolle geraten. Dessen ungeachtet versuchte er, einen Weg durch das Inferno zu finden, notdürftig geschützt durch die schweren Vorhänge aus der unteren Halle, die er sich kurzentschlossen überwarf. Dabei wäre er fast erschlagen worden, als ein Teil der Decke im oberen Korridor vor ihm zu Boden krachte und ihn nur um wenige Handbreit verfehlte; die enorme Hitze und das grelle Licht des Feuers brandeten auf ihn zu wie eine Sturmflut, die direkt aus der Hölle zu kommen schien. Als um ihn her Teile des herrschaftlichen Hauses herabregneten, wurde Robert schmerzlich bewußt, daß er den Rückzug antreten mußte. Hier konnte er beim besten Willen nichts mehr ausrichten.
    Erst spät am folgenden Tag hatte das Feuer sich endlich ausgebrannt und erlosch, und erst dann vermochte Robert den wirklichen Schaden zu übersehen.
    Der Westflügel und der größte Teil des Hauptgebäudes waren völlig ausgebrannt, die vormals hellstrahlende Kalksteinfassade von Devonbrook war von Rauch und Feuersbrunst mit schwarzer Tünche überzogen worden. Von der oberen Galerie war nichts mehr übrig; dort hatte sein Vater einst die Stücke der Devonbrook-Sammlung ausgestellt, und an den eleganten, mit chinesischer Seide bespannten Wänden hatte man die Ahnenporträts bewundern können, auf denen jeder Edenhall seit grauer Vorzeit abgebildet war. Die Decke des hohen Ballsaals, den Grinling Gibbons vor fast zwei Jahrhunderten gestaltet hatte, war buchstäblich eingestürzt: Von den zehn prachtvollen Kristallüstern und den herrlichen Deckenmalereien war nichts mehr übrig.
    Robert konnte sich gut daran erinnern, wie er und seine Brüder als Kinder morgens auf Strümpfen in dem riesigen Raum herumtoben durften, wenn am Abend desselben Tages einer der glanzvollen Bälle stattfand, die seine Mutter auszurichten pflegte: Ausgelassen rutschten sie auf ihren Bäuchen und den Hosenböden über den italienischen Marmorfußboden. Ihre Mutter, die Herzogin, hatte immer gesagt, daß die flinken Füße ihrer Söhne den Boden besser auf Hochglanz polierten als alles andere. Und jetzt war auch dies, neben allem übrigen, verloren, jeder einzelne Raum des herrschaftlichen Hauses verwüstet. Mit einer Ausnahme.
    Die Bibliothek mit ihren dreißigtausend Büchern, uralten Handschriften und Drucken, in der Robert in jener Nacht eingeschlafen war, stand abseits der Verwüstung und war unversehrt, wenn man von einer leichten Verfärbung ihrer Westseite absah, die vom Rauch verursacht worden war. Vor dem Feuer hatte sie der efeubewachsene

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