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Die schoene und der Lord

Titel: Die schoene und der Lord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaclyn Reding
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trauern, aber sie hatte nie das Grauen erleben müssen, eine geliebte Person durch die mörderische Einwirkung eines Dritten zu verlieren.
    Sie dachte an die Abhandlung seines Vaters. Wenn sie ihm doch bloß dabei helfen könnte, herauszufinden, wer das Leben seiner Familie ausgelöscht hatte - vielleicht würde er sich dann gestatten, zu gesunden, sein Leben weiterzuleben, sich der Zukunft zuzuwenden. Vielleicht sogar ...
    »Ich sollte jetzt besser heimgehen«, sagte sie und wandte sich zum Gehen. »Morgen früh komme ich wieder, dann können wir weiter der Abhandlung Ihres Vaters folgen, wenn Sie es wünschen.«
    Robert hatte das Gesicht von ihr abgewandt. Offenbar war er immer noch erschüttert, verzagt und wütend. Catriona wartete noch ein Weilchen, aber er blieb stumm.
    »Dann also gute Nacht.«
    Robert lauschte, während Catriona hinausging. Nachdem sie fort war, setzte er die Brille ab und schleuderte sie mit einem gequälten Aufschrei quer durch den Raum. Dann wandte er sein Gesicht direkt dem Lichtschein des Feuers zu, das einzige Licht im Raum, hell und leuchtend, und zwang sich, direkt hineinzusehen.
    Schmerz fuhr ihm durch den Kopf, ein Schmerz, der so durchdringend war, daß er die Kiefer aufeinanderbeißen mußte, um ihn niederzuzwingen. Seine Augen aber würde er nicht vor ihm verschließen. Der Schmerz nahm zu, je länger er den Blick nicht abwandte, war lähmend, scharf, ungemildert. Aber er kämpfte dagegen an, denn er wollte sich seiner Blindheit nicht länger kampflos geschlagen geben.
    Nach kurzer Zeit wurde der Schmerz etwas schwächer. Gleichsam durch ihn hindurch vermochte er schemenhafte Umrisse auszumachen, die sich dunkel und hell vor ihm abzeichneten. Erkennen konnte er nichts, als sei seine Sicht verschwommen, als schiebe sich ein undurchdringlicher Nebel vor seine Augen. Robert konzentrierte seinen Blick auf eine Stelle, wo Hell auf Dunkel traf, und versuchte, nicht weiter auf den Schmerz hinter seinen Augen zu achten, der nun erneut wütend aufflackerte. Er blickte unverwandt auf diese eine Stelle und erteilte sich innerlich den Befehl, sich zu konzentrieren, um dadurch seine Augen zu zwingen, in den kontrastierenden Schattierungen die Spur eines Wiedererkennens zu bewirken.
    Was war es bloß? Was lag dort knapp jenseits hinter dem nebelhaften, verschwommenen Schmerz? Es war etwas, das sich bewegte, rhythmisch und beständig, wobei Helligkeit und Dunkel jeweils langsam die Seiten wechselten. Er konnte nicht erkennen, was es war, konnte noch nicht einmal seine Umrisse erkennen, aber es war mit Sicherheit etwas.
    Robert verharrte regungslos. Nicht einmal zu zwinkern wagte er, aus Angst, das Wenige, was er hatte, das Etwas aus Hell und Dunkel, könnte dabei unwiederbringlich verschwinden. Als er schließlich den Schmerz nicht mehr ertragen konnte, kurz bevor er ihn endgültig um den Verstand brachte, schloß er die Augen, ließ das Kinn an die Brust sinken und stieß vor Enttäuschung und Ohnmacht die Luft aus.
    Dann aber atmete er wieder ein. Tief und langsam. Ein heilsamer Atemzug, mit dem er zugleich frische Entschlossenheit schöpfte. Also schlug er die Augen wieder auf.
    Er würde nicht aufgeben. Er würde wieder sehen können. Er würde in diesem Sessel sitzen und Stunde für Stunde, Tag für Tag auf diese Stelle schauen, bis er selbst herausfände, was es war. Hell und Dunkel. Vor und zurück. Etwas war dort. Er mußte es bloß durch die Finsternis und die Schatten hindurch finden, und dies würde ihm auch gelingen.
    Und wenn dies vollbracht war, wenn er dieses Etwas endlich sah, würde er sich etwas anderes vornehmen, und dann würde er sich darauf konzentrieren, bis er auch dort herausfände, was es war. Jeden Tag würde er daran Weiterarbeiten, bis er jeden einzelnen Gegenstand hier im Raum kannte, vom großen Mobiliar bis hin zum kleinsten Krimskrams.
    Er würde diesen Zustand überwinden. Er würde nicht den Rest seiner Tage als Blinder verbringen, als Invalide, den man bemitleidete und über den man abfällig tuschelte. Er würde sein Augenlicht zurückerlangen, würde wieder sehen, denn eines wußte er vor allem: daß er nicht aus diesem Leben scheiden könnte, ohne vorher Catriona mit eigenen Augen gesehen zu haben.

Kapitel 11
    Mary MacBryan war an den Schrank getreten, um den Korb mit Sachen herauszunehmen, die geflickt und ausgebessert werden mußten. Dabei warf sie einen Blick zum Fenster hinaus. Als sie Catriona unter der Buche mit den kräftigen Ästen entdeckte, auf

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