Die schoene und der Lord
liebte sie ihn sogar noch mehr. Er hatte seine Familie durch eine furchtbare Tragödie verloren und war fälschlicherweise dafür beschuldigt worden. Robert, dieser Mann, der ihr Beschützer gewesen war, ihr Ritter, der über sie gewacht und sie vor Gefahr bewahrt hatte, wenn sie sich im Schloß aufhielt.
Jetzt aber wer er derjenige, der des Schutzes bedurfte. Aber diesen Teil durfte sie niemandem erzählen, das wußte sie, denn es war geradezu töricht von ihr, zu glauben, daß da jemals mehr sein könnte. Und ihre Mutter würde das gewiß ebenso sehen.
»Catriona MacBryan, ich kenne dich, seit du quäkend auf diese Welt gekommen bist. Du bist von dem jungen Gutsherrn angetan, das kann ich dir von den Augen ablesen. Und wer wäre das nicht? Er sieht sehr gut aus, dieser Herzog, das muß ich schon sagen.« Sie lächelte versonnen und fügte hinzu: »Dieser Robert. Und wenn du ihn nicht gern hättest, würdest du wohl kaum mit diesem dummen Tuch vor den Augen hier draußen herumwerken, daß man furchten muß, du fällst gleich in die schmutzige Brühe in dem Waschzuber.«
Catriona ließ sich neben ihrer Mutter auf dem Baumstumpf nieder, trat gegen einen Kiesel und schaute verlegen auf ihre Fußspitzen. Mary MacBryan hatte man noch nie so ohne weiteres hinters Licht führen können. Schon als Catriona noch klein war, war Mary immer sofort dahintergekommen, wenn ihre Tochter eine Tasse von ihrer kostbaren Sahne stiebitzt hatte, um damit ein streunendes Kätzchen zu füttern, oder wenn sie ganz vergessen hatte, Blaubeeren zum Einkochen zu sammeln, weil sie statt dessen den ganzen Tag über dem Colonel und seinen Erzählungen aus jakobitischer Zeit gelauscht hatte. Und deswegen wußte Catriona nur zu gut, daß es nutzlos wäre, die Wahrheit weiter vor ihr verheimlichen zu wollen.
»Oh, Mam. Ich habe ihn sehr gern, das stimmt, aber welchen Unterschied macht das schon? Robert ist ein Herzog, er gehört dem Adel an. Und außerdem ist er Engländer. Mit jemandem wie mir kann er doch ohnehin nichts anfangen. Uns trennen Welten. Die Unterschiede sind riesengroß.« Dann sah sie Mary an und fügte hinzu: »Zu groß, fürchte ich.«
Ja, dachte Mary, aber letzten Endes täuschte dieser Eindruck, und es verhielt sich ganz anders. Sie dachte zurück an eine Nacht vor etwas mehr als zwanzig Jahren. Eine dunkle, eine schicksalhafte Nacht. Trotz all der Zeit, die seither vergangen war, stand sie ihr so lebhaft vor Augen, als sei es erst gestern gewesen. Die Hitze. Das Blut. Die schreckliche Befürchtung, die sich später als begründet erwiesen hatte. Mary schloß die Augen, wischte die alptraumhaften Erinnerungen beiseite und erinnerte sich an das winzige Baby, das sie in jener Nacht das erste Mal in den Armen gehalten hatte — dann sah sie die junge Frau vor sich, zu der es mittlerweile herangewachsen war.
Der Wind fuhr ihr in die wollenen Röcke über den abgetragenen Lederschuhen, und sie hätte schwören mögen, daß es so klang, als wispere eine Stimme ihr in dem Moment etwas zu.
Ed ist an der Zeit, Mary.
Mary versuchte, das Ganze als Einbildung abzutun, aber dieser Wind war hartnäckig und ließ nicht locker.
Sie muß es erfahren...
Mary schlug die Augen auf und sah ein, daß der Wind mit seinen prophetischen Worten einen weisen Rat erteilt hatte. Es müßte endlich Schluß sein mit der Geheimniskrämerei. Jetzt war es an der Zeit, ihrer Tochter die Wahrheit zu sagen. »Catriona, da ist etwas...«
»Ich kann ja nichts daran ändern, daß ich die Tochter eines schottischen Kleinbauern bin«, sagte Catriona und fiel Mary damit ins Wort. »Noch würde ich das je wollen. Du, Dad und Mairead, ihr bedeutet mir alles. Selbst wenn Robert mich ebenso gern hätte wie ich ihn, wäre ich doch immer fehl am Platze in dem Leben, das er gewohnt ist. Genau, wie er sich nie an mein Leben gewöhnen könnte. Prunkvolle Bälle und Seidenkleider, die mit Satinschleifen aufgeputzt sind — von dieser Welt habe ich nicht die geringste Ahnung, Mam. Und selbst wenn er mich je dabeihaben wollte, würde ich ihn doch bloß in Verlegenheit bringen, wäre nichts als eine Kuriosität an seiner
Seite. So etwas werde ich ihm nie antun, und mir selbst auch nicht. Das brächte ich einfach nicht über mich.«
Mary verbiß sich die Worte, die sie eben schon beinahe ausgesprochen hätte. »Aber der Gutsherr weiß doch, was du bist, Catriona. Du hast ihn doch mit in unser Haus gebracht.«
»Ja, Mam, er mag wissen, was ich bin, aber er kann nicht sehen,
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