Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die schoene und der Lord

Titel: Die schoene und der Lord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaclyn Reding
Vom Netzwerk:
was ich bin. Verstehst du den Unterschied? Ich wüßte nicht, ob er mich anders beurteilen würde, wenn er mich sehen könnte, wenn er wirklich sehen könnte, wer ich bin und wo ich herkomme. Schottland ist ihm ebenso fremd wie London mir. Solange er mich nicht als die Person sieht, die ich bin, könnte ich nie hoffen ...«
    Catriona sprach ihren Satz nicht zu Ende, und dies war auch nicht nötig. Mary verstand sie besser, als sie sich eingestehen wollte. Wenn sie doch bloß wüßte, was sie in dieser Sache unternehmen könnte.
    Dann war wieder der Wind zu vernehmen.
    Die Zeit ist reif.
    Catriona stand auf und kehrte zum Waschzuber mit Angus’ Hemden zurück. Mary dachte noch einen Moment nach.
    »Was wäre, wenn du dem Gutsherrn sein Augenlicht zurückgeben könntest?«
    Catriona sah ihre Mutter an. »Mam?«
    »Du hast doch gesagt, du müßtest wissen, ob der Gutsherr deine Gefühle erwidert, auch wenn er dich als die gesehen hat, die du bist, oder? Was wäre, wenn er sein Sehvermögen zurückerlangte?«
    »Aber er hat sein Augenlicht verloren, weil er bei einem Brand Verletzungen erlitten hat, Mam. Niemand vermag zu sagen, ob er je wieder sehen können wird. Das geringste Licht fügt ihm starke Schmerzen zu, und er hat mir erzählt, daß seine Ärzte ihm wenig Hoffnung machen. Da bis jetzt noch keine Besserung eingetreten sei, werde er höchstwahrscheinlich nie wieder sehen können.«
    Mary lächelte. »Ja, Catriona, aber manche Heilungen gehen vom Herzen aus. Nicht vom Kopf.« Sie erhob sich. »Komm mit, Mädchen.«
    Mary nahm Catriona an der Hand und führte sie zum Haus zurück. »Warum machst du uns nicht ein Täßchen Tee, während ich etwas holen gehe«, sagte sie, als sie drinnen waren, und ließ Catriona an dem großen Eichenholztisch stehen, um in einem der beiden hinteren Zimmer zu verschwinden.
    Catriona setzte den Wasserkessel auf und suchte zwei Blechtassen und die Teedose hervor. Kurz darauf, als Catriona gerade das kochende Wasser aufgoß, kam Mary wieder herein. Sie hielt ein kleines Holzkästchen in den Händen.
    »Du darfst niemandem hiervon verraten«, sagte sie, indem sie das Kästchen auf den Tisch stellte. »Nicht einmal deiner Schwester.« Dann öffnete sie den raffinierten Verschluß und brachte ein noch kleineres Kästchen zum Vorschein.
    Geradezu liebevoll legte sie beide Hände auf seinen Deckel und schaute Catriona an. »Als ich ein kleines Mädchen war, kaum älter als neun Jahre, rief mich eines Abends meine Großmutter zu sich. Sie war sehr krank und sagte, sie müsse mir vor ihrem Tod etwas erzählen. Du mußt wissen, daß meine Mutter sechs Töchter geboren hatte, bevor sie mich bekam, und nach mir noch zwei weitere. Auch meine Großmutter hatte nur Töchter, elf an der Zahl; meine Mutter war die siebte gewesen. Großmutter sagte, somit sei ich die siebte Tochter einer siebten Tochter, was in unserer Familie seit fünf Generationen nicht mehr vorgekommen war. Deshalb sei ich gesegnet, sagte sie, und dann gab sie mir dieses Kästchen. Meine ciste araichdeil nannte sie es, und sie sagte, ich solle es an jede folgende Generation weitergeben, bis wieder jemand wie ich dabei sei, die siebte Tochter einer siebten Tochter.«
    Catriona hörte ganz hingerissen zu und lehnte sich auf ihrem Stuhl vor. »Und jetzt möchtest du das Kästchen an mich übergeben?« »Ja, Mädchen, das möchte ich, aber es ist nicht so sehr das Kästchen, das ich dir jetzt zeigen möchte. Darin ist etwas aufbewahrt, was du nun sehen sollst.«
    Mary hob den Deckel, der glattpoliert und mit Schnitzereien versehen war und tatsächlich uralt aussah, und entnahm dem Kästchen etwas. Es war so klein, daß es in Marys Hand Platz fand, und in ein zartes Tuch gehüllt. »In diesem Tuch befindet sich etwas, das dem jungen Gutsherrn sein Augenlicht zurückgeben wird.«
    Sie hielt es Catriona hin.
    Catriona nahm das Tuch sehr behutsam in die Hand. Langsam faltete sie es auseinander. Was sie darin vorfand, war ein Zweiglein von einer Pflanze. Es mußte schon alt sein, denn die Blättchen und Blütenblätter waren ganz braun, trocken und brüchig. Aufmerksam besah sie es sich aus der Nähe. Dann blickte sie wieder zu Mary auf, und in ihren weit aufgerissenen Augen lag ein Glanz, an dem abzulesen war, wie sehr die Gabe sie in den Bann geschlagen hatte.
    »Das ist das weiße Heidekraut«, sagte sie mit vor Ehrfurcht gedämpfter Stimme, als habe sie gerade ein uraltes Geheimnis gelüftet, das seit ewigen Zeiten unentdeckt

Weitere Kostenlose Bücher