Die Schoene und der Prinz
nicht gleich ruinieren“, versicherte er ihr lachend. „Und es wird mir ein Vergnügen sein, dich eines Tages zum Altar zu geleiten, wenn du dich mit einer bedeutenden Persönlichkeit vermählst.“
Forella wußte, daß die „bedeutende Persönlichkeit“ jemand aus seinen Kreisen sein sollte, damit es eine standesgemäße Verbindung war.
Am liebsten hätte sie ihm klargemacht, daß sie viel lieber einen Forscher oder einen Ausländer heiraten würde, unterließ es aber, um ihre Tante nicht zu schockieren.
Seit sie in London eingetroffen war, hatte ihre Tante ihr ständig vorgehalten, die Lebensweise ihres Vaters sei unschicklich, um nicht zu sagen empörend gewesen, und sie könne sich glücklich preisen, davor bewahrt worden zu sein.
Es war sinnlos, ihr zu widersprechen, ihr klarzumachen zu versuchen, daß sie nächtelang wach lag, weil sie das viel zu weiche Bett haßte und das Gefühl, zwischen vier Wänden eingesperrt zu sein, als beklemmend empfand und sich statt dessen nach den Nächten in der freien Natur unter blinkendem Sternenhimmel sehnte, nach dem wogenden Meer unter ihrer Koje.
Tante Kathie könnte das nicht verstehen, dachte sie verzweifelt und hielt es auch für sinnlos, irgendeinem anderen Menschen anzuvertrauen, wie ihr ums Herz war.
Sie zog die schweren Brokatvorhänge auf und öffnete beide Fensterflügel, um die frische Nachtluft hereinzulassen.
Sterne blinkten am Himmel, aber sie waren nicht so hell und so zahlreich wie im Fernen Osten. Der Mond spiegelte sich im See vor dem Schloß und tauchte die uralten Eichen am anderen Ende des Parks in sichtbar silbernes Licht.
Wenn Papa bei mir wäre, sagte sie sich, würde er mit mir die Geschichte des Schlosses erforschen und mich lehren, seinen Wert zu erkennen. Über die Menschen, die sich darin aufhalten, würde er sich lustig machen.
Sie nahm sich vor, zu der gleichen Einstellung zu gelangen.
Ihre Niedergeschlagenheit war nur darauf zurückzuführen, daß sie das ungewohnte neue Leben bei ihren Verwandten zu ernst genommen hatte.
Ich sollte es lediglich als eine unangenehme Phase meines Lebens betrachten, machte sie sich weiter Mut, wie etwa eine Bergtour mit Blasen an den Füßen oder die Übernachtung in einer dieser Elendshütten in Indien, die gelegentlich von Schlangen heimgesucht wurden.
Sie erinnerte sich an einen Aufenthalt in der Türkei, als sie mit ihren Eltern in einen gefährlichen Sturm geraten war und sie in einer Höhle Unterschlupf gesucht hatten, in der es streng nach wilden Tieren roch. Schon nach kurzer Zeit hatten sie sich kratzen müssen, weil das Ungeziefer, das die vierbeinigen Höhlenbewohner zurückgelassen hatten, sie gebissen hatte.
Ihr Vater hatte herzhaft geflucht über den Juckreiz und war von ihrer Mutter gerügt worden. „Ein paar ordentliche englische Flüche haben noch keinem geschadet“, hatte er lachend erwidert. „Hoffentlich verstehen die verdammten Flöhe unsere Sprache.“
Darüber hatten sie herzhaft gelacht und danach alles mit heiterer Gelassenheit ertragen.
Ich muß über alles, was mit mir geschieht, mit einem Lachen hinweggehen, nahm sie sich vor.
Sie ging zu Bett und schlief, den Blick auf den Sternenhimmel gerichtet, kurz darauf ein.
Forella träumte, mit ihrem Vater zusammen zu sein, als das Geräusch einer sich öffnenden Tür sie weckte. Da sie häufig an fremden Orten genächtigt hatte, hatte sie einen sehr leichten Schlaf. Das leise Rascheln einer Kobra auf dem Lehmboden oder das Schnaufen eines wilden Tieres vor der Hüttentür hatte sie sofort hellwach gemacht.
Zu ihrer Bestürzung stellte sie fest, daß jemand in ihr Zimmer eingedrungen war. Sie konnte die Gestalt in dem spärlichen Mondlicht, das durchs Fenster eindrang, nicht erkennen. Doch Angst verspürte sie nicht.
Erst als sich die Gestalt auf ihr Bett zu bewegte, hielt sie erschrocken den Atem an und flüsterte: „Wer sind Sie? Was wollen Sie?“
Es war eine Männerstimme, die leise fragte: „Esme?“
Gerade wollte sie einen Schreckensschrei ausstoßen, als die Verbindungstür geöffnet wurde und ihre Tante mit einem Kerzenleuchter mit brennenden Kerzen in der Hand auftauchte.
Sie trug ein spitzenbesetztes Seidennegligé und sah hinreißend aus. Ohne Forella zu beachten, wandte sie sich an den Mann neben ihrem Bett, der mit dem Rücken zum Fenster stand.
Im Kerzenlicht erkannte Forella, daß es Graf Sherburn war, der sie erschreckt hatte. Fassungslos starrte er sie an und schien wie versteinert.
Der Blick
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