Die Schoene und der Prinz
Liebe! Ja, ein morgendlicher Ausritt tut manchmal Wunder!“
„Es war in der Tat angenehm kühl draußen“, gab Esme Meldrum zurück und bemühte sich, sich ihren Haß nicht anmerken zu lassen. Sie wandte der Marquise den Rücken zu und begab sich zu einigen Damen, die ebenfalls eben erst aus den Federn gekommen waren.
Mit einer Verbeugung trat in diesem Augenblick der Butler neben den Marquis und übergab ihm den Brief. Verwundert drehte der ihn um. Er hatte nicht erwartet, hier Post zu erhalten. Seine Dienerschaft hatte Anweisung erhalten, ihm nichts nachzuschicken.
Stirnrunzelnd entfaltete er das Schreiben, las die wenigen Zeilen und traute seinen Augen nicht. „Gütiger Himmel!" murmelte er vor sich hin, nachdem er es ein zweites Mal gelesen hatte.
Entschlossen ging er zu seiner Frau hinüber, die sich gerade angeregt mit dem Prinzen unterhielt. Er faßte nach ihrem Arm und zog sie beiseite.
„Was gibt’s denn, George?“ fragte sie, unwillig über die Störung.
„Ich muß dir etwas zeigen“, sagte er in gedämpftem Ton und zog sie mit sich in eine Zimmerecke, wo sie ungestört waren.
Um kein Aufsehen zu erregen, folgte sie ihm, wenn auch widerwillig und mit finsterer Miene.
Dann las auch sie Forellas Zeilen. Sie zuckte zusammen. Ihre Augen weiteten sich in ungläubigem Staunen, ihr Gesicht verzerrte sich.
„Ich denke, sie hat keine Freunde in England“, würgte sie dann mühsam hervor.
„Mir sind jedenfalls keine bekannt.“
„Was wollen wir jetzt tun?“
„Was schlägst du vor?“ Der ironische Unterton in der Stimme des Marquis war nicht zu überhören.
Wütend stopfte sie den Brief in den Umschlag zurück. „Wenn das ein Komplott zwischen ihr und Osmond Sherburn ist“, zischte sie, „dann bringe ich ihn um!“
„Mach bitte keine Szene!“ beschwor sie der Marquis.
„Keine Angst“, erwiderte seine Frau heiser. „Ich knöpfe mir Osmond nach dem Lunch vor.“
In diesem Augenblick wurde Lady Roehampton gemeldet, daß serviert sei. Sie bat die Gäste, an der Tafel Platz zu nehmen.
Mit zerknirschter Miene trat die Marquise zu ihr. „Tut mir entsetzlich leid, meine Liebe“, stammelte sie, „aber mir wurde eben erst gemeldet, daß Forella nicht am Lunch teilnehmen wird. Die Gründe erkläre ich dir später.“
Ohne sich dazu zu äußern, ordnete Lady Roehampton an, ein Gedeck zu entfernen. Zum Glück waren die beiden Herren, die jetzt nebeneinander sitzen mußten, leidenschaftliche Jäger und würden sich gewiß angeregt unterhalten.
Als Graf Sherburn an der Tafel Platz nahm und suchend seinen Blick in die Runde schweifen ließ, als vermisse er Forella, hielt das die Marquise für reine Heuchelei. Sie war überzeugt davon, daß er genau Bescheid wußte.
Er hat sie beschwatzt, damit er sich aus der Affäre ziehen kann, dachte sie wütend. Aber damit kommt er nicht durch! Dafür sorge ich. Er wird sie heiraten und wenn George ihn durch eine Duellforderung dazu zwingen muß!
Dazu würde der Graf es nicht kommen lassen, denn sowohl er als auch George fürchteten nichts so sehr als einen Skandal und einen negativen Bericht in der Zeitung.
Sie malte sich bereits aus, wie sie die Trauungszeremonie genießen würde, wie sie triumphieren würde, wenn man den Grafen gegen seinen Willen zum Altar führte. Dann hatte sie wieder die Oberhand und würde auch in Zukunft keine Gelegenheit versäumen, um sich über ihn lustig zu machen.
Ich habe gesiegt! triumphierte sie innerlich. Jedesmal, wenn er die Frau ansieht, die seinen Namen trägt, wird er bereuen, mich verlassen zu haben!
Als die Damen den Speisesaal verließen, ging sie dicht am Grafen vorbei und sagte so leise, daß nur er es hören konnte:
„Ich muß mit dir reden, Osmond. Es ist sehr wichtig!"
Sie sah ihm an, daß er sich am liebsten geweigert hätte, doch sie ließ nicht locker, sondern schnitt ihm den Weg zur Bibliothek ab, wohin sich die Herren gewöhnlich nach dem Lunch zu begeben pflegten.
„Gehen wir in den Garten. Ich muß dir etwas zeigen.“
Um nicht alles noch schlimmer zu machen, fügte er sich. Widerwillig, wie ihr sein vorgerecktes Kinn verriet.
Sie überquerten den Rasen, bis sie außer Hörweite der anderen waren, die sich auf der Terrasse aufhielten.
Wortlos überreichte ihm die Marquise Forellas Brief. Sie wartete, bis er ihn gelesen hatte, dann sagte sie kalt: „Da das dein Werk ist, wünsche ich zu erfahren, wohin du sie geschickt hast!"
„Damit habe ich nichts zu tun!“ lautete seine scharfe
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