Die Schoene und der Prinz
davon sind Kutschpferde, Mylady“, sagte er dann auf seine bedächtige Art. „Die anderen läßt Seine Hoheit von mir zureiten, weil ihm dazu die Zeit fehlt.“
„Sind Sie schon lange bei ihm angestellt?“ fragte Forella.
Wieder entstand eine kleine Pause, bevor Thomas antwortete: „Ich bin seit genau drei Jahren bei Seiner Hoheit im Dienst.“
Sie spürte, daß er nicht weiter darüber reden wollte, und war taktvoll genug, seinen Wunsch zu respektieren.
Allerdings konnte sie nicht verhindern, daß ihre Neugier geweckt war und sie sich im Laufe der nächsten Tage nicht nur über ihn, sondern auch über andere Beobachtungen, die sie anstellte und die ihr einige, Rätsel aufgaben, Gedanken machte.
Sie verstand nicht recht, wie das Herrenhaus geführt wurde, in dem sie sich von Anfang an wohl gefühlt hatte. Mrs. Newman, die Haushälterin, traf offensichtlich eigenständig Entscheidungen und hielt den Alltagskram von der Prinzessin fern.
So entschied sie, Forella das Frühstück ins Schlafzimmer zu bringen, da die Prinzessin ebenfalls stets im Bett zu frühstücken pflege und es zu ungemütlich sei, wenn Forella allein im Frühstückszimmer ihre Mahlzeit einnehmen müßte.
„Ich werde mir wie ein Luxusgeschöpf vorkommen“, erwiderte Forella.
Dabei mußte sie daran denken, daß sie in den Jahren nach dem Tod ihrer Mutter jeden Morgen sehr früh aufgestanden war, um ihrem Vater das Frühstück zu machen. Selbst als sie Dienstboten hatten, war es ihm lieber, wenn sie ihn bediente.
Zuweilen, wenn sie auf Reisen waren, hatten sie das Frühstück über einem Lagerfeuer zubereitet. Sie hatten sich wie die Einheimischen Maisbrei mit Nüssen und frischer Kokosmilch gekocht. Ganz gleich, was es war, ihr Vater erwartete stets, daß Forella es ihm servierte und sich erkundigte, ob es ihm schmecke.
Manchmal schien ihn so etwas wie Heimweh zu befallen, denn dann klagte er: „Ich habe diesen Fraß satt und sehne mich nach einem schönen englischen Frühstück mit gebratenem Speck und Spiegeleiern und einem halben Dutzend Silberschüsseln mit allen möglichen köstlichen Speisen zur Auswahl, wie wir es zu Hause hatten.“ Dann hatte er lachend bemerkt: „Offenbar vergreise ich allmählich, daß mir so etwas plötzlich begehrenswert erscheint.“
Am zweiten Morgen ihres Aufenthalts im Manor war Forella nach dem Frühstück auf das Gurren einer weißen Taube auf ihrem Fensterbrett aufmerksam geworden.
Langsam, um das Tier nicht zu erschrecken, war sie ans Fenster getreten, hatte einige Brocken Toast auf einem Tablett nach draußen gestreckt und eigentlich erwartet, daß die weiße Taube scheu davonflattern würde.
Das Gegenteil war der Fall. Das Tier war so zahm, daß es ihr sogar aus der Hand fraß. Dann flatterte es ohne Hast davon.
In diesem Augenblick trat Mrs. Newman ins Zimmer.
„Sind Sie fertig mit dem Frühstück, Mylady?“ fragte sie.
„Ja, vielen Dank“, erwiderte Forella. „Was ich nicht geschafft habe, das hat eine der weißen Tauben gefuttert, als ob sie nicht schon fett genug wäre!“
Sie lachte, aber Mrs. Newman stimmte nicht ein. „Sie sollten die Tauben nicht hier füttern, Mylady“, sagte sie stirnrunzelnd. „Sie gehören der armen Lady.“
„Wer ist das?“ wollte Forella wissen.
Die Haushälterin wandte sich ab und stellte das Geschirr aufs Tablett.
„Ist schon in Ordnung“, sagte sie dann hastig. „Vergessen Sie, was ich gesagt habe, Mylady."
Damit verließ sie so rasch das Zimmer, daß Forella keine Fragen mehr stellen konnte.
Nachdenklich blickte sie der Haushälterin nach. Es war sonst nicht ihre Art, unhöflich zu sein, und Forella überlegte, wer die „arme Lady“ wohl sein mochte.
Vermutlich meinte sie die Prinzessin, aber Forella hatte sie bisher noch nie die Tauben füttern sehen. Vielmehr hatte sie sich gestern noch über die Tiere beklagt, die so viel Lärm machten und sie jeden Morgen aufweckten.
„Aber sie sind doch so hübsch“, hatte Forella eingewandt.
„Mag sein, aber sie machen einen Haufen Dreck“, hatte die Prinzessin erwidert und dann das Thema gewechselt.
Aber wenn es nicht die Prinzessin war, wer mochte dann die „arme Lady“ sein?
Forella hatte festgeteilt, daß es mehr Dienstboten im Haus gab, als eigentlich für eine einzelne Dame benötigt wurden. Allerdings kannte sie sich nicht in der englischen Herrschaftshaushaltsführung aus und wußte nur, was ihr Vater ihr über die Scharen von Dienstboten im Haus ihres Großvaters erzählt
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