Die Schoene und der Prinz
Forella entsetzt auf.
„Ja, sie haben meinen Imbe umgebracht“, sagte die Prinzessin, „und mir haben sie nicht einmal erlaubt, mich von ihm zu verabschieden!“
„Wie grausam und herzlos!“
„Sie fürchteten, wenn sie ihm irgendwelche Zugeständnisse machten, würde es ihm irgendwie gelingen, ihnen noch in letzter Minute zu entkommen. Zu lange hatte er sie an der Nase herumgeführt und war ihnen immer wieder entwischt, so daß sie schon fürchteten, er sei unsterblich.“
„Es muß furchtbar für Sie gewesen sein!“
„Man beschloß, mich ebenfalls einzusperren“, fuhr die Prinzessin ruhig fort. „Wenn das geschehen wäre, hätte auch ich, ohne offiziell zum Tode verurteilt zu sein, sterben müssen.“
„Und der Prinz hat Sie davor bewahrt?“ fragte Forella, als wüßte sie bereits die Antwort.
„Ja, János tauchte in dem Augenblick auf, als ich völlig verzweifelt war, und brachte mich nach England, bevor meine Häscher zuschlagen konnten.“ Sie stieß einen tiefen Seufzer aus, bevor sie fortfuhr:
„Da jederzeit zu befürchten war, daß die ungarische Regierung einen Auslieferungsantrag stellte, versteckte er mich hier in dieser Einöde in der Hoffnung, daß sie mich hier nicht finden würden, bis Gras über die ganze Sache gewachsen war und sich keiner mehr für mich interessierte. Genau das ist wohl inzwischen eingetreten.“
„Das ist die aufregendste und spannendste Geschichte, die ich je gehört habe!“ rief Forella aus. „Ihr Mut ist bewundernswert!“
„Ich möchte nur für eines in meinem Leben Bewunderung finden“, sagte die Prinzessin leise. „Daß ich den streitbarsten Menschen meines Landes in all den Jahren, die wir Zusammensein durften, unsagbar glücklich gemacht habe.“ Einen Augenblick schwieg sie, von der Erinnerung überwältigt, dann fügte sie mit leiser Stimme hinzu:
„Jetzt habe ich nur noch den einen Wunsch, nach dem Tod mit ihm vereint zu sein.“
„Das werden Sie!“ erwiderte Forella überzeugt. „Papa war ganz sicher, nach dem Tod wieder mit meiner Mutter Zusammensein zu können.“
„Wenn man einen Menschen von ganzem Herzen liebt, kann man ihn niemals verlieren“, sagte die Prinzessin ruhig.
Dann wechselte sie das Thema, als habe sie lange genug über sich gesprochen.
„Und deshalb wünsche ich dem wundervollen, liebenswerten János, daß auch ihm eines Tages das Wunder der Liebe zuteil wird.“
„Ich dachte, er ist verheiratet?“ sagte Forella.
„Stimmt“, erwiderte die Prinzessin. „Es war eine von den Eltern der jungen Leute vereinbarte Ehe, die ihm kein Glück gebracht hat.“
Das klang so bedrückt, als widerstrebe es ihr, darüber zu sprechen, und Forella respektierte den unausgesprochenen Wunsch taktvoll.
„Es ist ungerecht“, sagte sie nur, „daß ein so gütiger und hilfsbereiter Mensch nicht glücklich ist. Gewiß gibt es irgendwo eine Frau, die für ihn geschaffen ist, wie Sie es für Ihren Gatten waren, der alles Glück dieser Erde an Ihrer Seite gefunden hat."
„Darum bete ich Tag und Nacht“, sagte die Prinzessin voller Inbrunst.
Am Abend im Bett dachte Forella lange über den Prinzen und sein Schicksal nach. Merkwürdigerweise hatte sie davon eine ganz andere Vorstellung gehabt.
Da sie ihn in den Kreisen angetroffen hatte, in denen Onkel und Tante, der Graf und Lady Esme und ihresgleichen verkehrten, war sie trotz seiner Güte und seines Verständnisses, das er ihr gegenüber gezeigt hatte, davon überzeugt gewesen, daß ihm die oberflächlichen Vergnügungen dieser Gesellschaft, über die ihr Vater sich immer lustig gemacht hatte, Spaß machten.
„Wer möchte schon in den Buckingham Palace eingeladen werden?“ hatte ihr Vater einmal lachend gefragt.
„Ich schon“, hatte ihre Mutter erwidert, „und sei es nur, um mit eigenen Augen festzustellen, ob dort tatsächlich alles so prunkvoll und verschwenderisch zugeht, wie man sich erzählt.“
„Du wirst die ganze aufgeputzte Gesellschaft erleben“, prophezeite ihr Vater, „die begierig ist, ein huldvolles königliches Lächeln zu erhaschen oder auf ein königliches Schulterklopfen lauert wie Seelöwen auf einen Fisch.“
Ihre Mutter hatte gelacht und vorwurfsvoll erwidert: „Das klingt sehr abwertend. Liebster.“
„Es ist die reine Wahrheit“, behauptete er. „Menschen, die ansonsten über einen gesunden Menschenverstand verfügen, würden bis zum Nordpol kriechen, nur um einen Beweis königlicher Gunst zu erhaschen, in Form eines Ordens etwa, den
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