Die Schoene und der Prinz
mir näherte, bin ich mit ihm durchgebrannt.“
„Wie mutig von Ihnen!“ Dabei überlegte Forella, daß es sicher einfacher war, mit einem Menschen, den man liebte, zu fliehen, als ganz allein, wie sie es versucht hatte.
„Ich kroch eines Nachts wie die Heldin in einer romantischen Novelle klammheimlich aus dem Bett“, erzählte die Prinzessin weiter. „Meine Wertsachen hatte ich in einen Schal gewickelt. Damit stahl ich mich aus dem Palast. Imbe wartete schon auf mich. Wir ritten schnell vom Palast meines Vaters weg. Wenn man uns erwischt hätte, dann hätte Imbe sterben müssen. Mich hätte man im elterlichen Haus gefangengehalten und Tag und Nacht bewacht.“
„Aber Sie sind entkommen, nicht wahr?“ rief Forella aufgeregt.
„Wir ritten zwei Tage und zwei Nächte durch, ohne uns Schlaf zu gönnen“, sagte die Prinzessin, „bis wir den Besitz meines Vaters hinter uns gelassen hatten, dann ließen wir uns trauen.“
„Wo war das?“
„In einer kleinen Kirche am Fuß der Berge.“
„Und Sie haben Ihre Flucht von zu Hause nie bereut?“
„Niemals!“ erwiderte die Prinzessin mit Nachdruck. „Ich liebte Imbe, und er betete mich an. Man könnte sagen, wir waren füreinander bestimmt und nur glücklich, wenn wir zusammen waren.“
„Das klingt sehr romantisch“, stellte Forella fest. „Genauso haben mein Vater und meine Mutter füreinander empfunden.“
„Es ist die wahre Liebe“, sagte die Prinzessin. „Was uns die Zukunft auch bescherte, in dem Augenblick, als Imbe mich zu seiner Frau machte, war ich der glücklichste Mensch auf Erden.“ Ihre Stimme klang bewegt, als sie das sagte.
„Was geschah danach?“ fragte Forella.
„Wir lebten weiter in Ungarn“, sagte die Prinzessin. „Imbe war berüchtigt als ein Mann, der ständig die Regierung attackierte und immer neue Reformen forderte. Er machte sich mehr und mehr zum Anwalt der Unterdrückten und Ausgebeuteten.“
„Haben Sie ihm dabei geholfen?" fragte Forella.
„Ich half ihm mit meiner Liebe und einem gemütlichen Heim, in dem er Ruhe und Entspannung fand.“
Forella wirkte wohl ein wenig enttäuscht darüber, denn die Prinzessin fügte erklärend hinzu: „Er wollte es so. Niemals hätte er zugelassen, daß das Liebste, was er besaß, einer feindlichen, grausamen Welt ausgesetzt wurde, die er ständig anprangerte und die ihn nicht verstehen wollte.“
„Das ist wohl das Los aller Menschen, die für Reformen kämpfen“, murmelte Forella vor sich hin.
„Wie recht du hast“, erwiderte die Prinzessin. „Aber obwohl viele Leute Imbe haßten, schaffte er es doch, daß einige seiner Reformen durchgesetzt wurden, was niemals geschehen wäre, hätte er sich nicht so vehement und furchtlos für die Unterdrückten und Geknechteten eingesetzt.“
„Er muß ein großartiger Mensch gewesen sein!“
„Für mich jedenfalls“, erwiderte die Prinzessin. „Es machte mir auch nichts aus, daß ich von meiner Familie und all meinen früheren Freunden geschnitten wurde. Für mich gab es nur noch einen Menschen auf der Welt, und das war Imbe.“
Als müsse sie Forella ihre Situation verständlicher machen, fügte sie noch hinzu: „Bald merkte ich, daß die Leute, die mit Imbe zusammenarbeiteten und ihn als ihren Führer anerkannten, mir mit Mißtrauen begegneten.“
„Warum denn?“
„Ich stammte aus der verhaßten Oberschicht, die ihnen übel mitgespielt hatte“, erwiderte die Prinzessin schlicht. Sie machte eine wegwerfende Handbewegung und fuhr fort:
„Ihre Feindseligkeit machte mir ebensowenig aus wie die meiner Familie. Für mich gab es nur Imbe! Wenn er nach Hause kam und mir sagte, wie sehr er mich liebte, vergaß ich in seinen Armen allen Kummer und selbst die schlimmsten Sorgen.“ Ein Lächeln umspielte die Lippen der Prinzessin.
„Wenn du einmal mein Alter erreichst, mein Kind“, sagte sie versonnen, „wirst du erkennen, daß nur die glücklichsten Zeiten deines Lebens der Erinnerung wert sind, die Zeiten, in denen man Liebe gegeben und empfangen hat.“
Forella drängte sie, mehr über diesen Mann, den sie geheiratet hatte, zu erzählen, ihr zu schildern, wie tapfer er für seine Sache gekämpft hatte und daß er nicht selten Erfolg gehabt und seine Unterdrücker entlarvt hatte.
„Am Ende haben sie ihn doch gefaßt“, sagte die Prinzessin bekümmert. „Ein winziges Versehen von einem seiner Vertrauten brachte sie auf seine Spur. Sie sperrten ihn ein und verurteilten ihn zum Tode.“
„O nein!“ schrie
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