Die Schöne und der Tod (1)
wenn man sie nur ansieht.
– Nur weil du nicht an die Liebe glaubst, muss das nicht für andere gelten. Das muss in deinen Kopf, Max, es gibt Menschen, die bereit sind, etwas für ihre Liebe zu tun. Marga wollte hierbleiben und ich wollte bei ihr sein.
– So einfach?
– Ja, so einfach.
– Aber dein Hof? Deine Schweine? Du hast dein ganzes Leben dort verbracht, bist dort aufgewachsen. Man kann doch nicht einfach gehen, alles hinter sich lassen.
– Man kann, Max. Ich weiß das. Und Emma weiß das auch.
– Lass Emma aus dem Spiel.
– Nein, lasse ich nicht.
– Kein Wort über sie.
– Warum nicht? Marga hat mir alles erzählt. Sie hat gesagt, du hättest in Wien bleiben können, mit Emma leben können, du hattest einen Job, ihr wart glücklich. Niemand hat dich gezwungen zurückzukommen, du hattest die Wahl. Ist doch so, oder?
– Dumme Sau.
– Die Liebe gewinnt immer, Max.
– Genau, deshalb ist deine kleine Marga jetzt tot, oder?
August will zuschlagen, aber Baroni hält ihn davon ab. Max ist ganz ruhig sitzen geblieben, er hätte den Schlag einfach genommen. Er wollte sich nicht wehren, er wusste, dass er es verdient hätte. Ihn auf seine Vergangenheit anzusprechen, sich ein Urteil darüber zu erlauben, das war kein Grund, den armen Mann zu provozieren, ihn mit Gewalt an seine Trauer zu erinnern. Max weiß das, aber es hat ihm Freude bereitet, er hat es genossen, den Bauern zu ärgern, diesen vorlauten Kerl, der sich anmaßt zu wissen, was richtig ist und was falsch, der meint, über ihn und Emma Bescheid zu wissen.
Gerne würde er noch mehr sagen, August gerne bestrafen, aber er bleibt still und hört zu, wie August schreit. Wie Baroni auf ihn einredet, ihn festhält. Wie plötzlich Tränen über Augusts Gesicht rinnen. Wie er verzweifelt dasitzt. Max will das nicht, er will diese Tränen nicht sehen, er kann nicht, dieses traurige Gesicht geht ihn nichts an, es geht ihn nie etwas an. Die Angehörigen, die Trauernden, er hat seine eigenen Probleme, seine eigenen Tränen. Max versucht an etwas anderes zu denken, an die Zeit, als seine Welt noch in Ordnung war. Augusts Augen. Wie es über seine Wangen rinnt. Wie Augusts Mutter ihm über den Rücken streicht. Nur die Wanduhr ist laut.
Es ist drei Uhr Nachmittag, und Max beschließt zu bleiben. Der Schnaps tut gut. Das mit dem Protokoll wird er morgen erledigen, er muss hierbleiben, er muss recherchieren, das mit den Tränen wird aufhören. Tilda wird ihm sagen, ob August Geld hat oder nicht, sie hat die Mittel, das herauszufinden, nicht er, nicht jetzt, nicht nachdem er den nächsten Schnaps in sich versenkt hat. Tilda trinkt nicht mit den Leuten, die sie befragt, Tilda bleibt sachlich. Max ist dankbar, dass er sie hat, dass sie auf ihn aufpasst. Sie ist wie Augusts Mutter. Tilda würde ihn auch streicheln, wenn er ihr sagen würde, wie es in ihm aussieht. Sie würde neben ihm sitzen und für ihn da sein. Das weiß Max, und das reicht ihm.
Gemeinsam mit Baroni wartet er, bis die Tränen aus Augusts Gesicht wieder verschwunden sind, ohne zu reden geben sie sich dem Nachmittag hin. Als die Worte wiederkommen, ist Marga kein Thema mehr, auch Augusts Vergangenheit nicht, alles bleibt belanglos. Sie feilen noch an der Schlachtung von Max. Baroni zeigt, was er gelernt hat, Max gibt sein Bestes in der Rolle des Schweines, August schaut zu, kommentiert. Baroni sticht zu, pumpt, August lässt das Blut aus. Eine zweite Flasche Schnaps wird geöffnet, Emma ist nicht mehr wichtig in Augusts Küche. Max wirft die Bilder von ihr aus seinem Kopf, die Erinnerungen an ihre Haut, ihr Lachen, ihr Gesicht, wie es vor seinem lag. Es ist ihm egal, was sie macht, wo sie ist, ob sie auf ihn wartet, ob sie nach ihm sucht. Sie hat angerufen, dreimal, viermal, Max hat sie weggedrückt, er will ihre Stimme nicht in seinem Telefon. Er sitzt mit Baroni in Augusts Küche, Augusts Mutter hat sich hingelegt.
Drei Männer, betrunken. Wie sie nur noch Unsinn reden, lallen. Max erzählt Witze, auch Baroni, bis August vom Stuhl fällt. Sie lachen, als er kopfüber auf die Tischplatte kracht, als sein Oberkörper reglos liegen bleibt. Sie schauen zu, wie still Speichel aus seinem Mund rinnt, und schenken sich noch einen ein. Kurz schütteln sie ihn noch, dann stehen sie auf und beginnen sich umzusehen.
Neun
Es wird hell, die Wintersonne im Fenster tut weh in den Augen. Max dreht sich um, sein Kopf ist groß und laut. Baroni liegt neben ihm, schnarcht laut. Max schaut sich um.
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