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Die Schöne vom Nil

Die Schöne vom Nil

Titel: Die Schöne vom Nil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Mahdi ibn Kebir, der mit gesenktem Haupt ganz nahe an der Mauer stand und keine Regung zeigte. »Was ist, Toc-Toc? Warum sagst du nichts? Mit mir kann man reden, das weißt du doch …«
    Toc-Toc hob langsam den Kopf. Er blickte an Professor Mitchener vorbei, hinüber zur Steinpyramide des Djoser, von der die Schatten, die eine heiße Morgensonne traf, über das Gräberfeld krochen.
    »Sir … Hören Sie hier auf«, sagte Toc-Toc mit einer ganz fremden, seltsam singenden Stimme. »Hier finden Sie nichts. Graben Sie weiter nach Osten, dort, wo ich den Pfahl in die Erde gesteckt habe. Dort müssen Sie suchen …«
    Professor Mitchener und seine Männer drehten sich um.
    In einer Entfernung von etwa 60 Metern ragte tatsächlich ein hölzerner Pfahl aus dem Boden.
    Um ihn herum Geröll wie überall, aufgeschüttet, eingeebnet, trostlos, verwittert, sonnenverbrannt. Eine Wüste aus Steinen …
    Dr. Pernam starrte Toc-Toc entgeistert an. »Junge, du spinnst«, sagte er dann laut. »Hier ist die Mauer! Und da hinten soll der Eingang sein? Das sind ja gut fünfzig Meter entfernt …«
    »Genau dreiundsechzig, Sir …«, antwortete Toc-Toc wie ein Schlafwandler. »Graben Sie dort …«
    »Das hieße, daß der ganze Grabbezirk mindestens ein Quadrat mit über sechzig Metern Seitenlänge ist. Das wäre eine Grundfläche von …« Dr. Pernam rechnete mit geschlossenen Augen.
    »Bei dreiundsechzig Seitenlänge von etwa dreitausendneunhundertneunundsechzig Quadratmetern«, sagte Dr. Herburg halblaut.
    »Verrückt! Für ein Grab …?«
    »Ein Königsgrab.«
    »Trotzdem …«
    »Und eine magische Zahl. Jede Ziffer ist durch drei teilbar – eine Harmonie von Zahlen: Dreitausendneunhundertneunundsechzig …« Dr. Herburg wandte sich um und rüttelte Toc-Toc an den Schultern. »Mahdi, wie bist du auf diese Stelle gekommen? Wer hat dir das gesagt?«
    »Ich weiß es nicht, Sir …«, antwortete Toc-Toc leise. Er schien plötzlich ohne Knochen zu sein, er hing wie eine Puppe in Herburgs Händen. »Ich weiß nur, daß es dort sein muß …«
    »Also gut! Fangen wir dort neu an!« Professor Mitchener starrte unentwegt auf den einsamen Holzapfel in dem Geröllfeld. Was hatte Dr. Aschar damals in Kairo gesagt? Dieser Toc-Toc scheint die Gräber zu riechen. Es ist, als ob er von damals übriggeblieben wäre …
    »Rechnen wir also mit weiteren Jahren«, rief Dr. Pernam sarkastisch. »Dann sind wir alte Männer, wenn wir zufrieden feststellen können: Es war wieder nichts!«
    Aber es dauerte keine Jahre, es dauerte ganze sieben Tage, als der Bagger, diesmal rücksichtsloser eingesetzt, in der Tiefe tatsächlich wieder auf eine Quadermauer traf. Die linke Seite des großen Quadrates …
    »Tiefer!« rief Toc-Toc, als Professor Mitchener sein Suchgerät ansetzen wollte. »Viel tiefer …«
    »Das ist doch Unsinn, Toc-Toc. Wir haben da drüben die Mauersohle bei fünf Metern erreicht.«
    »Drüben ist nicht hier …«
    »Hat man denn schon erlebt, daß man eine Scheintür ein paar Meter höher anbringt? Das ist doch absolut unlogisch!«
    »Graben Sie! Bitte, Sir …«
    Der Bagger fraß sich tiefer, und immer noch hörte die Mauer nicht auf. Dr. Abdullah hatte begonnen, topographische Berechnungen anzustellen, und kam am zwölften Tag aufgeregt an die Grabungsstelle.
    »Es muß stimmen, was Toc-Toc sagt!« rief er schon von weitem. »Vor Jahrtausenden fiel dort das Tal etwas ab, um später wieder anzusteigen. Eine Senke im Tal! Mit ihrer Gründlichkeit haben die Ptolemäer auch diese Senke aufgefüllt und dadurch ebenes Bauland gewonnen! Allah sei gelobt, daß er uns erkennen läßt: Das Grab des Menesptah ist eine Hangbebauung, wie man heute sagen würde. Und an der tiefsten Stelle, also an der hohen Mauer, die den Hang abstützte, muß der Eingang liegen! Darum auch die Scheintüren auf dem Hang. Damit jeder glauben sollte, man habe von dort aus den König in die Erde gelassen.«
    Er breitete den heutigen Plan aus und dann eine Skizze, wie das Gebiet vor ungefähr 5.000 Jahren ausgesehen haben mochte.
    Professor Mitchener, Dr. Herburg und Dr. Pernam sahen sich schwer atmend an. Das war es … ein Hang! Und so, wie es Dr. Abdullah rekonstruiert hatte, war es sogar logisch – wie alles im alten Ägypten nach streng mathematischen Gesetzen und logischen Erkenntnissen verlief: die hohe Mauer, der Hang darüber, als Krönung die andere Mauer … Auch Menesptah hatte seine kleine Pyramide gehabt. Die Natur selbst hatte sie geliefert, und die Menschen

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