Die Schöne vom Nil
fünftausendjährigen Schlaf reißen.«
Der Geheimpolizeichef hob die Schultern und blickte die Herren der Reihe nach an.
»Es tut mir leid, Professor, aber um weitere Bluttaten zu verhindern, bin ich im Auftrag des Innenministeriums befugt, Ihnen jede weitere Arbeit am Grab des Menesptah zu untersagen.«
»Wie herrlich!« rief Pernam. »Dr. Herburg und Dr. Alius werden entführt, es gibt zwölf Tote … und wir werden bestraft!«
»Es geht um Ihre eigene Sicherheit, Mr. Pernam.«
»Es sollte jetzt doch wohl mehr darum gehen, die Entführten wieder herbeizuschaffen.«
»Die Polizei ist pausenlos im Einsatz!« erwiderte der Polizeipräsident. »Rund um Sakkara werden Hunderte von Fellachen verhört. Irgendeine Spur wird sich finden lassen, irgend jemand muß etwas gesehen haben! Vor allem dieser Range Rover gibt uns Hoffnung. Ein solcher Wagen fällt in dieser Gegend auf. Man muß ihn irgendwo gesehen haben …«
Er warf wieder einen raschen Blick auf die tote Salimah und wischte sich über die Augen. »Wir werden jetzt zu Suliman ibn Hussein fahren müssen, um ihm zu erklären, daß er seine Braut verloren hat.«
»Zu uns sagte er, Salimah sei auf sein Boot im Nil umgezogen, um sich von den Schrecken der letzten Tage zu erholen.«
»Und auf dem Weg dorthin muß man sie aufgegriffen und erdolcht haben …«
»Glauben Sie, daß sie allein gefahren ist? Ohne Begleitung?«
»Ich habe Salimah gut gekannt«, sagte der Polizeipräsident mit rostiger Stimme. »Sie war eine moderne Frau. Es ist ohne weiteres denkbar, daß sie allein in ihrem Wagen zum Nil gefahren ist, dahin, wo die Jacht ankert.«
»Und ihr Wagen?«
Harris Pernam dachte an Frank und hatte plötzlich das merkwürdige Gefühl, das Herburg schon von Anfang an gehabt hatte: Es paßt nichts auf den ersten Blick zueinander, aber doch ist alles irgendwie logisch. Herburg und Luisa sind jetzt beide entführt – vielleicht beisammen … ein Faustpfand gegen das verdammte Grab …
»Ihr Wagen muß doch irgendwo stehen …«
»Und wenn die Täter ihn mitgenommen haben? Wie den Range Rover?«
»Fahren wir zu Suliman!« sagte Pernam laut. »Er hat noch keine Ahnung?«
»Nein! Sein Haus wird von der Armee aus einer gewissen Entfernung beobachtet. Es ist sozusagen hermetisch abgeriegelt. Störungen von außen sind ausgeschlossen …«
Ein schwaches Summen und das Aufleuchten einer roten Lampe am Funktelefon unterbrachen das Gespräch. Ein Polizeisergeant brachte den Apparat in das Laborzelt zu den Versammelten.
Der Polizeipräsident hob ab, hörte einen Augenblick stumm zu und sagte dann:
»Es ist gut, Sephir. Bringen Sie gleich alles zum Haus Sulimans.«
Er legte den Hörer auf und schob den Apparat an Salimahs Füße. »Hauptmann Sephir meldet gerade, daß man beide Wagen gefunden hat. Salimahs Auto und den zum Krankenwagen hergerichteten Range Rover. Der eine stand am Nil, kurz vor dem Bootssteg zur Jacht Sulimans, den Rover fand man unter einem großen Ölbaum, mitten im Plantagengebiet. Natürlich waren beide leer …«
»Natürlich!« Dr. Pernams Stimme klang sarkastisch. »Man darf also annehmen, daß wieder einmal alle Spuren verwischt sind …«
»Es wird schwerer und schwerer«, erwiderte der Chef der Geheimpolizei vorsichtig. »Unsere Gegner reagieren anders, als wir vorausberechnet haben …«
»Diese phänomenale Erkenntnis ist mir auch schon gekommen! Sie reagieren so, als ständen sie mitten unter uns und besprächen mit uns jeden ihrer Schritte, ohne daß wir es merken!«
Dann blickte Dr. Pernam Dr. Abdullah an. »Wer sagt es nun Leila?«
»Wer ist Leila?« fragte der Geheimdienstchef.
»Frank Herburgs Verlobte – meine Tochter«, antwortete Abdullah. »Sie liegt in ihrem Zimmer, auch in dem Grab verletzt …«
»Eine wahre Häufung der Katastrophen! Meine Herren, Sie sehen doch hoffentlich ein, daß es in unser aller Interesse liegt, die Arbeiten am Grab einzustellen. Vorerst wenigstens …«
Es kam genau so, wie Suliman es gewollt hatte.
Zeit! Zeit, um die Millionenwerte seines Rauschgiftdepots in Sicherheit zu bringen …
Mit Binden umwickelt, zur Untätigkeit verurteilt, lag Leila auf ihrem Bett, als Dr. Abdullah eintrat.
Der Blick, mit dem sie ihren Vater begrüßte, war so voller Wildheit und blanker Wut, daß er sich zunächst einen Stuhl an das Bett zog. Er setzte sich, legte die Hände in den Schoß und schwieg.
Er hatte eine halbe Stunde Zeit. Im Laborzelt legte man gerade Salimah in einen Sarg, den der
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