Die schoenen Hyaenen
Allerdings gehörte Marty zu denen, die ein Herz für ihre Angestellten haben. Er achtete darauf, daß es Sally nicht an einer netten Freundin fehlte, besorgte ihm ein bißchen Koks vom Feinsten und hatte ihm eine komfortable Wohnung über dem Badehaus eingerichtet. So hatte Sally allen Grund zur Dankbarkeit.
Lila wußte, wie man auch aus Nachteilen Vorteile für sich ableiten kann. Nicht umsonst war sie Theresa O'Donnells Tochter. Als dieser Gruftie, Michael McLain, anrief und Lila zum Abendessen einlud, lehnte sie ab. Nicht etwa, weil er ein Playboy war, der seinen Zenit überschritten hatte, auch nicht, weil sie fürchtete, den Abend nicht zu überstehen, ohne ihr Höschen fallen lassen zu müssen. Sie wußte, daß sie da nicht in Gefahr geriet. Sie wollte einfach keine Verabredung. Mit niemandem. Ganz bestimmt nicht mit einem Mann, der einmal mit ihrer Mutter geschlafen hatte. Theresa hatte stets mit den Männern geprahlt, die sie als Liebhaber in ihr Bett holte, und Michael McLain galt lange Zeit als ihr Favorit. Damals war er natürlich sehr viel jünger, und Theresa war einige Jahre älter als er. Schon das fand Lila widerlich. Michael gehörte zu den Typen, die älteren Frauen nachliefen, solange sie jung waren und sehr jungen Frauen, wenn sie alt wurden. Nein, dieser Michael kotzte sie an.
Sie vergaß dabei nicht, daß er wichtig war. Noch immer kannte er alle, auf die es ankam. Mit ihm anlegen durfte sie sich nicht. »Tut mir leid, ich muß da etwas mit meinem Regisseur erledigen«, behauptete sie. »Vielleicht ein anderes Mal.« Hinter Marty konnte Lila sich leicht verstecken. Tatsächlich war wohl die Zeit gekommen, wo sie sich ihm gegenüber ein bißchen aufgeschlossener zeigen mußte, wenn er sie in Birth of a Star unterbringen sollte.
Nach einem langen Drehtag mit Außenaufnahmen machte Lila sich nun für den Abend zurecht. So wie sie alles perfekt erledigte, achtete sie auch darauf, daß ihr Make-up nichts zu wünschen übrig ließ. Schon von ihrem neunten Lebensjahr an war sie von Theresa in die Kunst des Schminkens eingewiesen worden.
Während sie damit beschäftigt war, ihre Schönheit zu perfektionieren, dachte sie an April Irons und ob sie ihr wohl die Hauptrolle in Birth of a Star geben würde. Marty mußte ihr dabei helfen. Lila wußte, daß Theresa vor Wut platzen würde, wenn sie davon erfuhr. In Vorfreude auf diesen Augenblick lachte Lila. Marty war bereits so verrückt nach ihr, daß er sich beide Beine für sie ausreißen würde. Da war das Beschaffen einer Rolle ja wohl eine Kleinigkeit.
Lange genug hatte sie Marty auf Distanz gehalten. Nun ging das nicht länger. Zwar fürchtete sie sich seit dem Erlebnis mit Kevin vor einer solchen Verabredung. Doch inzwischen hatte sie viel dazugelernt. Und mit Marty wurde sie fertig.
Es klingelte. Lila zuckte zusammen. Wer, zum Teufel, kam bis an ihr Haus und klingelte? Sie lebte in der Malibu Colony und zahlte viel Geld, damit so etwas nicht passierte. Wie war der Typ an den Sicherheitsbeamten vorbeigekommen? Sie schritt die geschwungene Treppe hinunter und sah durch den Spion an der Tür. Martys Fahrer Sally! Er hielt seine Kappe in der Hand. Lila riß die Tür auf. »Was machst du denn hier, Sally? Hast du dich verfahren?«
»Nein, Miss Kyle. Mr. D. hat mir aufgetragen, Sie um sieben Uhr fünfundvierzig abzuholen. Das ist es jetzt.«
»Ich fahre selbst, Sally. Nimm dir den Abend frei.« Sie schlug die Tür zu und ging wieder nach oben. Was sollte das? Lila gedachte nicht, ohne eigene Transportmöglichkeit bei Marty festzusitzen. Sie fuhr sich noch einmal durchs Haar, richtete die Strumpfnähte — sie vermutete, daß Marty auf Strumpfnähte stand — und legte ein schwarzes Spitzentuch über das Haar. Dann lief sie mit den Wagenschlüsseln hinunter. Sie öffnete die Tür. Sally stand noch immer da. »Was machst du denn noch hier?« fuhr sie ihn an und ging zu ihrem schwarzen Land Rover.
»Miss Kyle, ich habe Mr. D. versprochen, Sie zu seinem Haus zu bringen. Wollen Sie nicht mit mir fahren? Ich bringe Sie nach Hause, wann Sie wollen. Bitte, Miss Kyle. Ich habe es Mr. D. doch versprochen.«
»Deine Versprechen gehen mich nichts an. Ich möchte selbst fahren, und das werde ich auch.« Sie hob ihren blauen Wildlederrock hoch und setzte sich auf den Platz hinter dem Steuer. Das Tuch schlang sie fester um den Kopf. Sie legte den Rückwärtsgang ein und fuhr rasant los. Sie beobachtete Sally im Rückspiegel. Er hastete zum Wagen und folgte ihr.
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