Die schoenen Hyaenen
Michael benahm sich so zerstörungssüchtig und böse, wie es nur Kinder können. Mußte er auf jemanden oder etwas warten, tobte er. Mussten die Szenen ein ums andere Mal wiederholt werden, maulte er, obwohl er derjenige war, der den Text schmiss.
Sie wechselten nur die unbedingt nötigen Worte miteinander. Jahne fürchtete inzwischen, daß Michael sie vor der Crew lächerlich machen könnte.
Denn er schämte sich nicht, die gemeinsten, niederträchtigsten Bemerkungen fallen zu lassen. Die meisten davon trafen leider zu oder gingen nur so knapp an der Wahrheit vorbei, daß sie zu Sorge Anlaß gaben. Wenn Jahne einmal einen Einsatz verpasste oder sonst einen Fehler beging, verhöhnte er sie als »Film-Jungfrau«. Doch auch andere entgingen seinem gehässigen Spott nicht.
Offenbar war er Widerstand oder Ablehnung von Frauen nicht gewöhnt. Und die Zurückweisung durch Jahne konnte er einfach nicht verschmerzen. Wie ein Schwein, das auf die Trüffeljagd abgerichtet ist, spürte er jede sexuelle Spannung auf. Er beobachtete Jahne und Sam. Daß er, der umschwärmte Michael McLain diesmal nicht der Umworbene war, machte ihn furchtbar wütend.
Jahne litt unter ihrer Sehnsucht nach Sam. In ihrem Kopf schien nichts anderes mehr Platz zu finden. Die geringsten Kleinigkeiten über ihr ehemaliges Verhältnis mit Sam fielen ihr ein — und sie schämte sich. Jahne schämte sich ihrer dicken Oberschenkel, ihrer Hängebrüste und des dicken Bauchs, kurz ihrer körperlichen Unzulänglichkeiten von damals.
Nun hatte sie sich verändert und begriff, was in Hollywood nötig war, um die richtige Filmillusion zu produzieren. Sie kannte nur Liebesszenen zwischen schönen Menschen. Die häßlichen, dicken, zu kleinen wurden verspottet und ausgelacht. Für älterer Menschen mit Runzeln oder Falten, für Leute, die einfach nicht hübsch waren, gab es keinen Sex, und wenn, dann im Dunkeln oder ohne Kamera.
Nun trug auch Jahne zu diesem Täuschungsmanöver bei, das einer bestimmten Sorte Mensch das Lustgefühl absprach. Denn die Liebesszenen, die gedreht wurden, hatten nichts mit der Wirklichkeit gemein. Für die Nacktszenen ein Double, zur Verschönerung Make-up, Lichteffekte, Speziallinsen und was es sonst noch an Tricks gab, uni ein Bild zu produzieren, das jeder Frau im Zuschauerraum Minderwertigkeitskomplexe vermittelte.
Jahne hatte noch nicht mit Sam geschlafen. Obwohl sie es sich wünschte. Sie zweifelte noch daran, ob es klug war, rätselte an seiner Reaktion auf die Narben. Sie wußte nicht, wie sie ihre Gefühle künftig beherrschen sollte, nachdem sie einmal seinem Verlangen nachgegeben hatte. Mai hatte ihr geraten: »Lieb' ihn nie mehr als er dich.« Den Rat wollte Jahne befolgen, doch es fiel ihr immer schwerer, sich Sam zu verweigern.
Er umwarb sie ständig. Jede seiner Bemerkungen, Späße, Anweisungen klang wie eine geheime Botschaft. Abends erschien er in ihrer Hotelsuite oder schickte ihr einen Wagen, der sie zu dem Haus brachte, das er für die Dauer der Dreharbeiten gemietet hatte. Sie unterhielten sich über die Aufnahmen, die Schwierigkeiten mit Michael, die Crew und das Drehbuch. Jeden Abend spielte sie mit dem Gedanken, ihm zu gestehen, wer sie war. Doch sie tat es dann doch nicht. Sie lachten viel, aßen und tranken zusammen, obwohl Jahne stets auf ihr Gewicht und ihre Haut achtete. Nie sprach sie über sich, versuchte aber, so verführerisch wie möglich zu sein. Tatsächlich trieb sie ihn fast zum Wahnsinn. Doch seit dem einen Kuß in Santa Cruz hatte sie ihm nicht mehr gestattet, ihr zu nahe zu kommen. Bis auf einmal. Das war tags zuvor gewesen. Da hatte er, kurz bevor sie ging, ihre Hand genommen und flach gegen seine harte Brust gedrückt. »Spürst du mein Herz?« fragte er.
»Ja.«
»Das klopft nun schon seit Wochen deinetwegen. Und deins?« Er nahm ihre Hand, die noch auf seiner Brust lag und drückte sie an ihr Herz.
»Ist ganz ruhig«, log sie.
»Schwindlerin!« tadelte er sie lächelnd. »Du bist herzlos oder geschlechtslos. Entweder oder.«
»Das ist die übliche falsche Annahme der Männer: Wenn eine Frau nicht mit ihnen schläft, ist sie frigide. Ich bin also geschlechtslos, bloß weil ich nicht mit dir schlafe?«
»Nein«, antwortete er leise. »Weil du meine Liebe nicht erwiderst. Oder erwiderst du sie?«
Wortlos kehrte sie in ihr Hotel, in ein leeres Bett und eine unruhige Nacht zurück. Als sie morgens gegen zwei Uhr aufwachte, war sie so aufgewühlt, daß sie fast Mai angerufen
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