Die schoenen Hyaenen
Du hast mir das Leben gerettet. Er hat Boyd getötet. Sieh es dir an, Dean.« Sie zwang ihn, sich den Toten zu betrachten. »Er hat Boyd den Schädel eingeschlagen, Dean. Auch mich wollte er töten.« Sie stand ganz dicht bei Dean und übertrug ihre Wärme auf ihn, holte ihn dadurch zurück. Denn Dean glich jetzt einem verängstigten Tier.
»Du hast mir das Leben gerettet, Dean. Von nun an werde ich nur noch für uns beide sorgen. Verlaß dich auf mich.«
Er nickte. »Er hat unser Hündchen getötet, Sharleen, und er hat Momma geschlagen. Er hat auch dir wehgetan.«
»Ich weiß. Aber jetzt ist alles wieder gut. Du mußt das alles vergessen.
Er legte den Kopf auf ihre Schulter und begann zu weinen. »Ich bin okay, Sharleen. Wirklich. Ich wollte das nicht. Aber ich erlaube niemandem, dir wehzutun. Niemandem. Nie!«
8.
Mary Jane brachte den Kaffee in ihrem Becher zum Kreiseln. Sie saß in der Küche. Durch das kleine, verschmutzte Fenster mit Blick auf den Lichtschacht konnte sie die Sonne nur sehen, wenn sie sich aus dem Fenster lehnte und die Wange auf das Fensterbrett drückte. Sie aß einen Löffel Joghurt und wünschte sich, er hätte Fruchtgeschmack.
Gedankenlos nippte sie wieder an ihrem Kaffee. Sie erschrak, als sie Sam im angrenzenden Zimmer hörte. Er redete oft im Schlaf. Jetzt rief er laut, dann seufzte er tief. Er hustete einmal, dann knarrte das Bett, als er sich auf die andere Seite drehte.
Mary Jane atmete erleichtert auf. Ich kann jetzt noch nicht mit ihm reden, dachte sie. Erst muß ich mir über das klarwerden, was gestern abend gewesen ist. Wo muß ich einen Schlußstrich ziehen, wenn ich meine Selbstachtung behalten will? Er hat mich gekränkt, und das vor Molly und Neil und all den anderen.
Wie stets versuchte Mary Jane auch jetzt, einer Auseinandersetzung auszuweichen. Sie versuchte, Sam zu entschuldigen. Hatten sie nicht alle eine schwere Zeit durchgemacht? Schlechtes Gewissen, Scham und Zorn ergaben eine Mischung, die Gefühle brodeln ließ. Sam und sie hatten schon oft darüber gesprochen, und Mary Jane wußte, daß sie sich in L.A. verloren fühlen würde. Andererseits ertrug sie den Gedanken nicht, ohne Sam zu leben.
Sie wußte, daß er ihr böse war, weil es ihr nicht genügte, ihn nur als seine arbeitslose Freundin zu begleiten. Denn gerade jetzt litt er bei seinem ersten Film unter der nervlichen Belastung. Hatte er sie darum so gedemütigt? Wollte er es ihr heimzahlen, weil sie sich ihm nicht fügte? Mary Jane schüttelte den Kopf. Das wäre eine total überzogene Reaktion gewesen.
Sie stand auf und ging die wenigen Schritte von der winzigen Küche zu der nur angelehnten Tür des Schlafzimmers. Sams schulterlanges Haar breitete sich fächerartig auf dem Kissen aus. Den einen Arm hatte er weit von sich gestreckt. Mary Jane empfand es schon als sinnliches Vergnügen, den langen Arm, die Wölbung der Muskeln und das feine Haar auf dem Unterarm zu sehen. Mit seiner Adlernase erinnerte er sie an einen schlafenden Krieger.
Seit er die Filmrechte für Jack and Jill and Compromise verkauft hatte, war Sam sauer auf sie gewesen. Er mochte es nicht, wenn sie den Kopf hängen ließ. Das machte ihn ungeduldig und reizbar. So war es auch zu dem Eklat am Abend vorher gekommen.
Seufzend ging sie zu ihrem CD-Spieler und legte eine Scheibe mit Geräuschen des Regenwaldes auf. Die Kaffeetasse in der Hand lauschte sie dem rauschenden Wasser, den Lauten der Tiere. Mary Jane atmete gleichmäßig und tief, wie sie es im Yoga-Unterricht gelernt hatte. Ich darf die Kontrolle nicht verlieren, sagte sie sich.
In ihre Gedanken brach Sams Stimme ein, der vom Schlafzimmer aus rief: »Hast du einen Kaffee, Baby?«
»In der Kanne«, antwortete sie. Sollte er sich seinen Kaffee ruhig selbst holen. Mary Jane hatte ihn verwöhnt. Jeden Morgen hatte sie ihm den Kaffee ans Bett gebracht. So rührend dankbar war sie für seine Nähe, daß sie sich aufführte wie ein treuer Hund.
Plötzlich fragte sie sich, ob Sam sich entschuldigen würde. Vielleicht schob er alles auf den Streß oder Jet-Lag. Wenn er es bereuen würde, wäre der Tag gerettet.
Sam erschien im Wohnzimmer. »Soll ich dir deinen Becher nachfüllen?« fragte er. Offenbar hatte er begriffen, daß er sich anstrengen mußte. Normalerweise hätte er ihren leeren Becher gar nicht zur Kenntnis genommen.
»Nein, danke. Ich möchte nichts mehr.«
Verstohlen beobachtete sie ihn. Er tat cool. Also brauchte sie auf keine Entschuldigung zu warten. Sie
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