Die schoenen Hyaenen
hatten in hektischen neunzehn Tagen die neuen Szenen für den Film abgedreht. Die Joy-Wah-Studios waren eine Filmfabrik, die allmonatlich Dutzende von Action- und Pornofilmen auf den asiatischen Markt warfen. Sie hatten Techniker und eine Crew für Spezialeffekte, die schnell und billig arbeiteten. Durch deren tatkräftige Hilfe hatte sich der Film verändert.
Sam faßte sich an die Schläfe. Seit einer Woche oder länger plagten ihn fürchterliche Kopfschmerzen. Nichts half dagegen. Vielleicht lag es am Klima oder dem Wasser in Hongkong, vielleicht daran, daß er stundenlang auf die Leinwand starrte. Nicht einmal die täglichen Massagen und die Kunst der chinesischen Akupunktur hatten ihm Erleichterung verschafft.
Sam hatte praktisch Tag und Nacht gearbeitet, um den Film zu retten — und sich selbst. Nachdem die neuen Szenen geschrieben und abgedreht worden waren, durfte er Hongkong endlich verlassen und mit der Rohfassung und seinen Kopfschmerzen nach L.A. zurückkehren.
Der Film war anders geworden, doch nicht notwendigerweise schlechter, wie er sich einredete. Die erste Filmversion war ein Reinfall gewesen, eine Totgeburt. Er hatte von Anfang an bei diesem Melodram seine Bedenken gehabt. Bis auf diesen Tag wußte Sam nicht, ob die Fehlgeburt eine Folge des allzu häufig umgeschriebenen Drehbuchs war, oder ob, Michaels Sabotage oder Jahnes leblose Darstellung die Schuld trugen. Jedenfalls hatte der Film nichts getaugt. Nun hatten sie die Musik unterlegt, hatten gestrafft. Dieser Birth of a Star hatte Chancen. Sam zweifelte nicht daran, daß es der in sexueller Hinsicht ungeschminkteste Film war, der je hergestellt worden war. Zweifellos würde er die Kosten wieder einspielen. Trotzdem wußte Sam nicht, ob man ihn einen guten Film nennen konnte.
Auf dem Flug nach Hongkong war er noch wütend auf Jahne gewesen. Er hatte kein Wort mehr mit ihr gewechselt. Doch in den wenigen Stunden, die ihm an Freizeit blieben, hatte er aus den Panoramafenstern des Hotels Regent den überwältigenden Blick auf den Hafen von Hongkong genossen und versucht, innerlich mit allem klar zu kommen. Er hatte Jahne geliebt. Vielleicht liebte er sie noch immer. Er wußte auch warum. Ihr Anblick hatte seinen Augen wohlgetan, wie es nur weibliche Schönheit vermag. Gleichzeitig hatte sie für ihn gesorgt, wie es Mary Jane einmal getan hatte. Sie besaß die Fähigkeit zur Leidenschaft, die nur den Hässlichen in dem Maße eigen ist. Mary Jane hatte ihm ein Wohlgefühl verschafft. Sie hatte ihn angebetet. Er hatte überhaupt nicht das Verlangen gehabt, ihr zu gefallen. Und sie hatte ihn akzeptiert wie eine Mutter, während Jahne ihm den sexuellen Anreiz eines Mädchens im Alter ihrer Tochter gab. Konnte man es ihm ankreiden, daß er das begehrt hatte? Sehnten sich nicht alle Männer nach der Sicherheit einer kritiklosen Liebe? Sexuelle Versuchung ohne Herausforderung! Jahne besaß die Reife einer Vierzigjährigen in dem Körper einer Jugendlichen und die Verwundbarkeit von beiden.
Damals in New York hatte er sich wegen Mary Jane und seiner Abhängigkeit von ihr geschämt. Jetzt wußte er, daß er sie geliebt hatte, auch wenn er sie nie seinen Eltern vorgestellt hätte oder sich mit ihr auf einer Hollywoodparty hätte zeigen wollen. War das etwa nicht nur menschlich? Das mußte doch jeder verstehen. Er rutschte wieder unbehaglich auf seinem Sitz herum. Die Bilder auf der Leinwand quälten ihn. Jahnes Gesicht, Jahnes Körper bedrängten ihn.
Hatte Jahne ihn zum Gespött gemacht? Lachten die Hampelmänner wie Molly und Chuck und diese kleine Ratte Neil jetzt über ihn, seine Oberflächlichkeit und Dummheit? Wer hielt ihn sonst noch für einen Narren? Ganz Hollywood? Er seufzte, wußte nicht, ob Jahne aus Gemeinheit gehandelt hatte oder weil sie ihn liebte. Zweifellos hatte ihn Mary Jane geliebt. Es fragte sich nur, ob sie diese Transformation aus Liebe oder Rache auf sich genommen hatte. In jedem Fall lief es auf einen grausamen Trick hinaus. Denn trotz dieses Betrugsmanövers liebte er Jahne noch immer. Vielleicht konnten sie wirklich noch einmal zusammenfinden, später, nachdem er gerettet hatte, was an Birth of a Star zu retten war.
Wieder in L.A., igelte Sam sich in dem Schneideraum ein und ließ die Filmstreifen bewachen. Niemand außer Michael, Seymore und April hatten Zugang zu den Filmrollen. Die Herren im grauen Flanell durften nur die Endfassung des Films sehen. Bis dahin blieb alles unter Verschluß.
Inzwischen hatte es sich
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