Die schoenen Hyaenen
den seltsamsten Kategorien schon verliehen. Schließlich kündigte er an: »Und jetzt warten wir auf den Namen der besten Schauspielerin in einer Spielfilmserie des Fernsehens. Übergeben wird die Auszeichnung von einer Künstlerin, die Ihnen allen bekannt sein wird: Meine Damen und Herren — Theresa O'Donnell!«
Die Erkennungsmelodie von »The Loveliest Girl in the World« wurde gespielt, als Theresa mit unsicheren Schritten herauskam. War sie betrunken? Erst las sie die Namen vor, die nominiert worden waren. Dann bat sie um den Umschlag.
Lila starrte auf die Bühne. Entsetzt! Die Puppenmutter präsentierte den Emmy! Zwar war Lila darauf vorbereitet, daß sie die Auszeichnung erhalten würde. Doch nicht, daß sie sie aus Theresas Hand erhalten würde.
Und wenn sie sie nun nicht erhielt? Diese Möglichkeit erstickte Lila förmlich. Sie griff nach Martys Hand und preßte sie in einem klauenartigen Griff.
»Mein Gott, hast du kalte Hände«, sagte er, als der Zeremonienmeister Johnny Burton Lilas Mutter den Umschlag übergab.
»Die Gewinnerin ist... Lila Kyle!«
10.
Das tiefe Luftholen im Saal glich einem Aufstöhnen. Dann brach der Applaus aus. Die Kamera erfaßte Lila, die zunächst die einstudierte Überraschung zeigte und kurz darauf das strahlendste Lächeln, das sie auf oder hinter der Bühne zustande brachte. Sie küßte Marty, sprang auf und eilte auf die Bühne. Ihr Herz hämmerte. Ihr war, als bewege sie sich im Wasser. Wie in einem Traum. Langsam, in Zeitlupe kam die Bühne näher.
Lila stand vor ihrer Mutter. Die hielt die Auszeichnung in beiden Händen. Lila griff danach. Aus glasigen Augen starrte Theresa Lila an. Lila zog an der Trophäe. Theresa ließ sie nicht los. Lila zog erneut. Theresa gab sie nicht frei. Doch Lila wollte ihren Preis haben. Er gehörte ihr! Alles würde von jetzt an ihr gehören. Endlich gab Theresa nach. Lila drückte die Statue an ihre Brust. Im Saal brach ein noch heftigerer Beifallssturm aus als zuvor.
So etwas hatte Lila noch nie erlebt. Sie hatte ja auch noch nie als Schauspielerin auf einer Bühne gestanden. Vor diesem handverlesenen Publikum nahm sie den Beifall entgegen und die Liebe, die ihr entgegenschlug. Unbeschreiblich war das. So hatte sie sich das Nacht um Nacht erträumt. Das war die echte, reine Liebe. Diese Liebe brauchte keine Berührung. Lila empfand sie wie ein warmes Bad oder die tröstende Brust einer Mutter. Lila fühlte den Applaus an ihren Brustwarzen, die sich aufrichteten. Sie fühlte ihn in ihrem Bauch und tiefer.
»Oh!« keuchte sie in Mikrophon. »Vielen Dank!« brachte sie heraus. Die vorbereitete Ansprache hatte sie vergessen. »Ich danke Ihnen allen.« Das Publikum war der umständlichen und langweiligen Reden längst überdrüssig. Diesem Ausdruck echten Gefühls jubelten sie alle zu. Der Applaus wurde stärker. Er brandete zu ihr herauf. Lila fühlte, wie sich etwas in ihr aufstaute, anschwoll. Und zum ersten und letzten Mal in ihrem Leben fühlte sie das beglückende Ziehen, das zur mächtigen Woge tief in ihrem Innern wurde, einer Woge, die sie erschütterte und dort auf der Bühne zum Orgasmus brachte.
Erst nach Minuten verebbte der Applaus. In diesen Minuten weinte Lila. Aus Erleichterung und aus Freude. Wahrscheinlich aber vorwiegend darum, weil es der erste Applaus eines Publikums seit der Party ihrer Mutter vor vielen, vielen Jahren war. Damals hatte ihre Mutter sie anschließend geschlagen. Sie war eifersüchtig gewesen. Ob sie auch jetzt eifersüchtig war? Lila fröstelte. Seit damals hatte Lila nur vor einer Kamera gespielt. Eine Reaktion oder ein Echo fehlt dabei. An diesem Abend begriff sie, was sie verpaßt hatte. Und sie wollte nun mehr.
Obwohl sie noch immer bebte, riß sie sich zusammen. Mit gemessenen Schritten — und ohne Theresa eines Blickes zu würdigen — verließ Lila das Podium. Sie verbeugte sich noch einmal, die Statue in den Händen.
Es war der glücklichste Augenblick ihres Lebens — und der letzte.
11.
Aus dem Zuschauerraum hörte man ein Knacken. Lila fiel nach vorn. Die Trophäe entglitt ihrer Hand und rollte davon. Die Kameramänner brauchten vier Schrecksekunden, bevor sie begriffen, daß hier etwas Ungewöhnliches geschah. Lila Kyle war nicht mehr vor ihren Linsen. Mitch Goldman, der Produzent der Emmy-Show, bellte im Kontrollraum einen Befehl an Kamera 1: »Großaufnahme!«
Lila kam ins Bild. Sie lag direkt vor der Bühne. »Ist das Weibsstück besoffen wie ihre Mutter?« fragte Mitch
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