Die schoenen Hyaenen
erschienen in imitierter Lila Kyle-Kleidung: hochhackige Schuhe, Make-up und langhaarige rote Perücke. Manche schrien und wurden ohnmächtig beim Anblick der Leiche. Andere schluchzten. Viele mußten fortgebracht werden. Doch nachdem sie am Sarg vorbeidefiliert waren, liefen sie an das Ende der Schlange und stellten sich erneut an.
Auch die Teenager kamen zu Tausenden. Die Geschlechtsenthüllung schien den Mädchen nichts auszumachen. Vielleicht fanden sie das sogar gut.
Etwa zweihundert Wagen fuhren die lange Zeile von Forest Lawn entlang. Trotz dieser vielen Menschen hatte Lila nur einer wirklich gekannt: ihre »Tante« Robbie. Er mußte von dem Grab fortgetragen werden.
19.
Sein Geist umkreiste kleine Dinge. Banalitäten. Marty wußte, daß er eigentlich ganz in Ordnung war. Die Sonne warf wechselnde Bilder auf seine blütenweißen Laken. Seine Nachttischlampe hob sich schwarz von der Wand ab. Marty nahm sich eine Bananenscheibe von den Cornflakes.
Langsam bewegte Marty sich in Bademantel und Pantoffeln zum Fenster und blickte in den gepflegten Garten hinaus. Wahrscheinlich japanisch, dachte er. Alles war so ordentlich, so sauber. Das konnte nur Japan sein. Doch plötzlich kam die Erinnerung, und er verließ das Fenster.
Ein Schlüssel wurde im Türschloss herumgedreht. Die Schwester, deren Namen Marty vergessen hatte, erkundigte sich: »Wie geht es Ihnen heute, Mr. DiGennaro?« Sie nahm das Frühstückstablett vom Tisch. »Sie haben heute morgen sehr gut gegessen. Ihr Appetit kommt schon wieder.« Sie verließ das Zimmer und schloß von außen wieder ab. Marty blieb mit seinen Gedanken und der Stille allein.
Von einem Sessel im Queen-Anne-Stil aus blickte er wieder in den Garten. Plötzlich schossen ihm Tränen in die Augen und rannen ihm übers Gesicht. So saß er oft und weinte. Ganz genau wußte er nicht, warum. Doch er bemühte sich auch nicht aufzuhören.
Das Krankenhausbett war schon gemacht worden. Der imitierte Aubusson-Teppich war gesaugt, die Kommode nach Sheraton-Art sowie sein Nachttisch von Staub befreit worden. Das erledigten die Mädchen, während Marty vor dem Frühstück mit seiner Wassertherapie beschäftigt war. Der Service in diesem Haus beeindruckte ihn. Mußte ein gutes Hotel sein. Aller Kummer dieser Welt läßt sich durch einen Aufenthalt in einem Luxushotel überwinden, egal wo es sich befindet, dachte er.
Er blieb in dem Sessel sitzen und weinte. Mitunter, immer kurz bevor er seine Medikamente bekam, ging ein winziges Fenster in seinem Hirn auf, und er erinnerte sich. Lila. Sie war tot. Dann flossen die Tränen. Lila hatte ihn angelogen. Lila war ein Mann. Die Tränen flossen schneller.
Sie hätte nicht lügen müssen. Er hätte sie auch so geliebt. Doch so wurde er zum Homosexuellen. Und das war er nicht. Trotzdem hätten sie schon eine Möglichkeit gefunden. Die hatten sie im Grunde ja auch gefunden. Er hätte es hingenommen, wenn sie nur nicht gelogen hätte.
Er war nun zum Gespött von Hollywood geworden. Jeder bemitleidete ihn. Gerade das Mitleid schmerzte. Vielleicht war es auch die Tatsache, daß er Lila nun nie wiedersehen würde. Nein, er litt noch mehr darunter, daß er nun nie wieder würde arbeiten können. Er konnte nie wieder Schönheit auf der Leinwand oder dem Bildschirm erschaffen. Das schmerzte am meisten.
20.
Monica Flanders stand hochaufgerichtet vor ihrem zusammengesunkenen Sohn Hyram. Bei ihrer Größe von kaum einsfünfzig konnte man einen anderen nicht leicht überragen. Doch Monica gelang das erstaunlich gut.
»Erst stellen wir fest, daß die Blondine mit ihrem Bruder schläft...«
»Es war nicht ihr Bruder, Ma«, warf Hyram ein.
»Ach, ich bitte um Entschuldigung!« höhnte Monica. »Sie hat selbst erst vor kurzem festgestellt, daß er nicht ihr Bruder war. Das erleichtert mich ja ungemein. Dann entdeckt die Welt, daß die Dunkle ein Monster ist.« Monica holte tief Luft, genau wie Hyram.
»Kein Monster, Ma. Nur die Patientin eines Arztes für plastische Chirurgie. Du hast selbst... «
»Ich habe nie ausgesehen wie sie«, unterbrach Monica ihn scharf. »Sie war ein Nichts. Ein häßliches Wesen. Und sie repräsentiert Flanders Cosmetics. Als ob das nicht genug wäre, haben wir außer einer Perversen und einem Fleischkloß noch eine Missgeburt. Einen Transvestiten, der unsere Frauen davon überzeugt, daß sie unseren Lippenstift benutzen sollen. Super, Hyram. Ideal. Eine großartige Idee, die du da gehabt hast.«
»Mutter, die Show hatte die
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