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Die schoenen Hyaenen

Die schoenen Hyaenen

Titel: Die schoenen Hyaenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olivia Goldsmith
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Reggie mir seine Stimme gegeben.«
    Jahne versuchte, über den dünnen Witz zu lachen. »Archie, wenn du wüßtest, wie traurig ich bin, daß deine Show abgesetzt wurde und du...«
    Neil sprang auf. Sein Stuhl fiel polternd zu Boden. Jahne wich erschrocken zurück. Die Tür ging auf. Ein großer, schwarzgekleideter Gefängnisaufseher trat ein. Neil sagte nur: »Hallo, Veronica!« Er breitete die Arme aus, und seine Augen standen erneut voll Tränen.
    Jahne mußte all ihre schauspielerischen Fähigkeiten aufbieten, damit sie nicht in Schluchzen ausbrach. Sie hörte noch eine Weile das unverständliche Stammeln ihres Freundes, der fortgebracht wurde. Neil hatte Jahne nämlich nicht erkannt. Er wußte nicht einmal, welcher Tag der Woche es war, wußte nichts über die Waffe oder seinen Todesschuss. Offenbar hatte er sich angewöhnt, jeden Veronica zu nennen. Das jedenfalls berichtete der Aufseher, der sie zum Ausgang begleitete. Neil hatte sich in seinem ganz privaten Gefängnis aus Schmerz eingekapselt. Sooft er aus seinem paranoiden, verblendeten Nebel auftauchte, überfielen ihn Schmerz und Panik, und die ließen sich schwerer ertragen als seine Wahnvorstellungen. An Neils Beispiel erkannte Jahne, warum die Menschen mitunter im Wahnsinn Zuflucht finden.
    Wie viele Jahre würde Neil hinter Gittern verbringen müssen? Jahne wurde es übel bei dem Gedanken. Mary Jane und Neil hatten viele Gemeinsamkeiten gehabt. Sie wurden beide ohne die entsprechenden äußerlichen Vorzüge geboren. Beide waren klug und sensibel genug, um darunter zu leiden. Sie hatten ihr ganzes Leben versucht, die körperlichen Unzulänglichkeiten zu kompensieren. Am Ende hatte Neil versagt. Und damit wurde er nicht fertig. Ein magerer, komischer Kerl mit dem Gesicht eines Frettchens, dem niemand zuhören wollte, der keine Freunde besaß. Ein Mörder. Jahne schauderte. »Ach Neil, wie konntest du nur?« flüsterte sie.
    Doch hätte Jahne damals in Scuderstown nicht beinahe das gleiche gemacht? Gemordet? Sie würde nie die Zeit nach der Beerdigung ihrer Großmutter vergessen. Ihr Versagen und die fehlende Anerkennung hatten sie fast so nah an den Abgrund getrieben wie Neil. Nur hatte Neil seinen Zorn nach außen abreagiert, statt Hand an sich selbst zu legen.
    Armer, mitleiderregender Neil, arme, mutterlose, ungeliebte Mary Jane...

23.
    Sam Shields setzte sich an das Ende einer Sitzreihe, wo er seine langen Beine ausstrecken konnte. Er hatte vergessen, wie unbequem die Sitze in einem normalen Kino sind. Neuerdings sah er Filme ja nur in privaten Vorführräumen.
    Birth of a Star lief nun in der siebten Woche. Inzwischen hatte der Film weit über hundert Millionen eingespielt. Sam durfte davon drei Millionen auf sein Konto verbuchen. Er zog aus dem gemieteten Haus in sein erstes eigenes Heim, einen prächtigen Besitz in unmittelbarer Nähe des Hotels Bel Air. Er hatte sich zum beliebtesten Mann der Stadt gemausert. Jeder wollte ihn für seinen nächsten Film haben. Sam schwamm auf einer Woge von Popularität.
    Der Kinoraum wurde dunkel. Der Vorspann lief. Ein junges Paar drängte sich an ihm vorbei zur Mitte der Reihe. Sie kuschelten sich aneinander, wie es die Amerikaner der Mittelklasse im Kino so machen. Die beiden, Anfang Zwanzig, saßen nur wenige Plätze neben Sam. Sam hatte die Publikumsreaktion einmal selbst miterleben wollen. Der Zufall bescherte ihm jetzt diese Möglichkeit.
    Für eine Nachmittagsvorstellung hatten sich ungewöhnlich viele Zuschauer eingefunden.
    Jahnes Bild erschien auf der Leinwand. Sie diskutierte mit dem Taxifahrer. Michael trat hinzu und half ihr. Das lief ganz gut, fand Sam.
    April Irons wollte Sam für ein neues Projekt gewinnen. Es bestand kein Grund, ihren Vorschlag abzulehnen. Doch sie wollte ihm noch immer nicht die Gesamtverantwortung überlassen und behielt sich ein Einspruchsrecht vor. Im Kielwasser des Erfolgs von Birth of a Star verlor der Streit zwischen ihnen an Substanz.
    Sam hatte den Film schon hunderte von Malen gesehen. Nun erlebte er ihn inmitten von »Rechtschaffenen«, wie Sy Ortis diese Gruppe von Menschen bezeichnete. Jahne und Michael — Judy und James im Film — hatten sich auf der Leinwand gerade zum erstenmal geküßt. Als James Judy die Bluse abstreifte, hörte Sam, wie das Publikum scharf Luft holte. Unauffällig warf Sam einen Blick zu dem Paar neben ihm. Der Mund des Jungen stand ein bißchen offen. Er wirkte wie hypnotisiert. Seine Freundin faßte nach seiner Hand und legte sie sich auf

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