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Die schoenen Hyaenen

Die schoenen Hyaenen

Titel: Die schoenen Hyaenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olivia Goldsmith
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zweiundzwanzig Monaten hatte sie nicht mehr gearbeitet. Sie besaß nur noch das Haus in Scuderstown. Doch seit dem Tod ihrer Großmutter liefen darum Rechtstreitigkeiten. Ihre Großmutter hatte ihre Angelegenheiten in einem hoffnungslosen Durcheinander hinterlassen. Eigensinnig hatte sie darauf behaart, daß ihr Sohn erben sollte, Mary Janes Vater, obwohl er seit dreißig Jahren nur noch mit Hilfe von Apparaturen lebte und als geistiges Wrack bezeichnet werden mußte. Mary Jane hatte fest damit gerechnet, daß die Gerichte zügig zu ihren Gunsten entscheiden würden. Doch auch da hatte ihr die Großmutter einen Strich durch die Rechnung gemacht.
    Also schränkte Mary Jane sich noch mehr ein. Sie verkaufte den Verlobungsring ihrer Mutter. Doch die vierhundert Dollar, die sie dafür bekam, würden nicht lang reichen. Als sie nur noch tausend Dollar besaß, sah sie keinen anderen Ausweg mehr. Sie vertraute sich Dr. Moore an.
    »Leider muß ich die nächsten Eingriffe verschieben.« Sie gab sich betont unbeteiligt, obwohl sie mit den Tränen kämpfte.
    »Warum?«
    »Aus persönlichen Gründen.« Mary Jane mochte Dr. Moore, wollte ihn aber nicht in ihre Probleme einweihen.
    »Sie machen eine sehr schwierige Zeit durch. Das ist mir klar. Ihre Identität, Ihr Selbstwertgefühl, ästhetische Gründe, Schmerzen, Ängste und Narben. Sie fordern viel von sich. Kann ich oder können meine Leute Ihnen irgendwie helfen?«
    Sie sah seine Sorge. Er glaubte, er habe sie überfordert und sie wollte es sich anders überlegen. Da gestand Mary Jane leise: »Ich hab kein Geld mehr.«
    Brewster Moore brauchte eine Weile, bis er antwortete. »Ist das alles? Und ich dachte, Sie hätten es sich anders überlegt oder litten unter psychischen Störungen. Es geht nur ums Geld?«
    »Nur?«
    »Damit wollte ich sagen, daß sich da am ehesten ein Ausweg finden lassen wird.«
    »Ich habe doch keine Arbeit. Und auch wenn ich irgend etwas finde, reicht es nicht für meine Miete und die Operationen. Darum muß ich alles verschieben, bis der Besitz meiner Großmutter endlich auf mich übertragen wird. Wenn das je der Fall ist.«
    Nun standen doch Tränen in ihren Augen. Sie hatte sich allzu lange beherrscht. Auch ihre Kraft neigte sich dem Ende zu. Denn sie wußte nicht, wieviel Verzögerungen und Enttäuschungen noch auf sie warteten.
    »Sagten Sie nicht einmal, daß Sie Krankenschwester sind? Sie könnten jetzt für mich arbeiten.«
    »Mit Miss Hennessey? Nein, danke.« Die Sprechstundenhilfe verursachte Mary Jane noch immer eine Gänsehaut. Außerdem schien Miss Hennessey die wachsende Vertrautheit zwischen ihrem Chef und seiner Patientin übelzunehmen.
    »So schlimm ist sie gar nicht.«
    »Das sagen Sie, weil sie Sie verehrt«, widersprach Mary Jane.
    »Es ist ganz angenehm, wenn man von jemandem bewundert wird, auch wenn es nur eine Miss Hennessey ist.« Er lachte. »Nein, ich hatte eigentlich daran gedacht, daß Sie den Kindern in der Klinik helfen könnten.«
    »Raoul und den anderen?«
    »Ja.«
    Ihr Magen zog sich zusammen. »Ich glaube nicht, daß ich das kann.«
    »Die Kinder würden an Ihrem Beispiel sehen, was man mit einer erfolgreichen Operation erreichen kann. Ihre Operationen sind nicht so außergewöhnlich wie die der Kinder. Doch als Vorzeigemodell würden Sie uns sehr wohl nützen können. Abgesehen davon brauche ich Hilfe, und Sie brauchen die Nasenkorrektur. Damit wäre beiden geholfen.«
    »Es wird trotzdem sehr lang dauern, bis ich das Geld für die Operationen zusammengespart habe.«
    »Da mache ich Ihnen einen Vorschlag. Wir bleiben bei unserem OP-Plan, und Sie bezahlen mich, sobald (Sie Ihr Vermögen freibekommen haben oder von Ihren künftigen Einnahmen. Außerdem wird die Klinik Ihnen kein Tagegeld berechnen, wenn Sie eine Angestellte des Hauses sind.«
    Mühsam schluckte Mary Jane die Tränen hinunter. Er war so gut! Gut nur aus Mitleid und Großmut? Diktierte ihm der berufliche Stolz, das Projekt erfolgreich abzuschließen? Mary Jane beschloß, lieber nicht zu tief nachzuforschen. Sie war einfach dankbar.
    So trafen sie ihre Vereinbarung.
    Mary Jane saß an einem Ecktisch in einer dunklen Ecke des Chinarestaurants und aß ein gedünstetes Gemüsegericht. Es schmeckte nicht. Sie brachte es kaum hinunter. Teilweise hatte das mit ihrer Nervosität zu tun. Sie mußte am Nachmittag zum erstenmal zum Dienst in der Klinik von Brewster Moore erscheinen. Sie wußte ja, daß er dort die schwersten Formen von Gesichtsentstellungen

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