Die schoenen Hyaenen
noch etwas, Dr. Moore. Darf ich Ihnen schreiben? Ihnen und Raoul? Nur gelegentlich natürlich. Ich weiß ja, wieviel Sie zu tun haben. Und Sie brauchen meine Briefe auch nicht zu beantworten.«
»Damit würden Sie mir eine große Freude machen, und antworten würde ich Ihnen bestimmt.«
Jahne stand auf. Sie fand den Abschied schwerer als sie erwartet hatte. »lch möchte gern Raoul noch Aufwiedersehn sagen.«
»Darüber freut er sich sicher.«
»Hoffentlich erkennt er mich ohne den Verband.«
»Er ist ein Künstler und kann mehr sehen als andere. Er wird Sie erkennen, doch andere werden es nicht können.«
»Sind Sie dessen sicher?«
»Mary Jane, Sie sehen phantastisch aus. Wie vierundzwanzig. Sie haben einen flachen Bauch, schlanke Beine, hohe Brüste und ein vollkommenes Gesicht. Wer sollte Sie erkennen?«
Sie stimmte lächelnd zu.
»Mary Jane!« schrie Raoul ihr entgegen, als sie die Station betrat. Sie waren dicke Freunde geworden. Er zeichnete ihr immer neue Bilder, und sie brachte ihm kleine Geschenke. Der Junge würde ihr sehr fehlen. Seit sie sich um ihn so intensiv kümmerte, hatte sich seine Sprache entschieden verbessert. Doch als sie näher kam, veränderte sich sein Gesicht. Die braunen Augen strahlten nicht mehr.
»Buenos dias, Raoul. Was hast du denn?« Mary Janes Magen zog sich zusammen. Enttäuschte ihn ihr Aussehen?
»Hat das der Doktor mit dir gemacht?« fragte der Junge. Man konnte ihn nur mit Mühe verstehen, doch Mary Jane hatte sich an die Behinderung gewöhnt. Sie nickte.
»Jetzt wirst du fortgehen.«
»Woher weißt du das?«
»Weil du nun schön bist.« Tränen rannen ihm über das Gesicht.
»Ach Raoul!« Traurig nahm sie ihn in die Arme.
Mary Jane rief den Anwalt an, der sich um die Hinterlassenschaft ihrer Großmutter bemühen sollte. Leider hatte er noch immer nichts erreicht. Mary Jane unterbrach seinen Redestrom. »Mr. Slater, ich möchte Ihnen einen Vorschlag machen. Was glauben Sie, habe ich nach allen Abzügen am Ende zu erwarten?«
»Momentan sieht es auf dem Immobilienmarkt nicht so gut aus. Doch ich denke, vierzig- oder fünfzigtausend Dollar müßten es schon werden.«
»Wären Sie damit einverstanden, den Besitz statt einer Gebührenrechnung zu übernehmen und mir nur einen Scheck über zehntausend Dollar zuzusenden?«
Am anderen Ende der Leitung herrschte Schweigen. Kämpfte da die Geldgier mit der Moral? »Das ist ein bißchen ungewöhnlich, und es läßt sich auch noch nicht absehen, wann der Fall abgeschlossen und das Haus verkauft wird.«
»Das ist mir klar. Und das ist ja auch der Grund, warum ich mich mit so wenig begnügen würde. Sind Sie bereit, das Risiko auf sich zu nehmen?« Sie wußte, daß er ein so gutes Angebot nicht ausschlagen würde. Diese kleinen Provinzanwälte glichen sich am Ende alle. Jetzt, wo er ein eigenes Interesse an der Sache hatte, würde er sie in einer Woche abgewickelt haben. Mary Jane aber brauchte das Geld jetzt. Sonst konnte sie ihr neues Leben nicht finanzieren.
»Ja, das würde sich machen lassen«, stimmte er zu.
»Noch etwas, Mr. Slater. Ich möchte Sie bitten, meine Namensänderung gerichtlich eintragen zu lassen. Das ist für meine Karriere von Bedeutung.«
»Kein Problem, solange Sie unverheiratet sind. Ich brauche nur Ihren Geburtsschein und so.«
»Das habe ich alles und werde es noch heute in die Post geben. Ich erwarte aber auch, daß Sie meinen Scheck noch heute an mich abschicken.«
»Selbstverständlich«, versprach er.
Jahne bummelte über die First Avenue. Die Sonne erzeugte Reflexe auf ihrem Haar. Sie ging mit großen Schritten und einem winzigen Hüftschwung. Den übte und verbesserte sie ständig. Sie war zwar weder sexy noch schön von Natur aus, doch sie war Schauspielerin und hatte genügend Zeit gehabt, die Bethanies dieser Welt zu studieren.
Sie stellte sich an einen Geldautomaten. Ein dicklicher junger Mann stand vor ihr. Er sah sie, trat zur Seite und ließ ihr den Vortritt.
Das war der Tribut, der den Schönen von den Unschönen gezollt wird. Sie fragte ihren Kontostand ab. Sie besaß noch 694,18 Dollar und hob zwanzig Dollar ab.
Danach besorgte sie sich in einem Reisebüro ein Flugticket auf den Namen Jahne Moore nach Los Angeles. Ohne Rückflug.
Entdeckt
»Wenn Liebe und Fachkenntnis zusammenwirken, kann man mit einem Meisterwerk rechnen.«
John Ruskin
»Verabredet man sich in Hollywood >zum Frühstück<, heißt das soviel wie >vielleicht kommen wir ins Geschäft<, >zum
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