Die schoenen Hyaenen
und Lebensmut.
Auch hier gab sie ihrem Tagesablauf eine gewisse Routine. Jeden Morgen fuhr sie zum Sportplatz der Junior High School und joggte fünf Kilometer. Dann duschte sie im Star Drop , mixte Banane mit Magermilch und Bierhefe und trank das, während sie sich zurechtmachte. Die Vormittagsstunden verbrachte sie anschließend, indem sie alles abklapperte, was sich anbot. Um ein Uhr setzte sie sich an einen Tisch vor dem Dim Sum und aß ein Diätgericht, oder sie bestellte sich im Chin Chin einen Geflügelsalat. In beiden Lokalen brauchte sie nie länger als zehn Minuten auf die Bedienung und ihre Bestellung zu warten. Oft setzten sich Männer an ihren Tisch. Sie machten ihr alle möglichen Angebote: wollten ihr das Essen bezahlen, abends mit ihr ausgehen, sie mit einem Agenten bekanntmachen. Sie luden sie ein, sich ihre Wohnungen anzusehen oder mehr. Irgendwie war sie darüber entsetzt. Nicht, weil sie prüde gewesen wäre. Es lag eher an der Aufmerksamkeit, die sie nicht gewohnt war. Natürlich hatte sie gewußt, daß ihr Aussehen Einfluß auf ihr Leben haben würde. Doch nun wurde ihr klar, daß ihr Leben bisher durch ihre Hässlichkeit zerstört worden war. Ist man jung und schön, fällt alles leicht. Jedenfalls brauchte sie nicht zu befürchten, daß sie in den nächsten zehn Jahren allein essen oder trinken mußte, wenn sie nicht wollte.
Sie brauchte sich nur einen Platz in einem gut besuchten Lokal zu suchen, einen Mann aus der Menge herauszupicken und ihn so lange anzusehen, bis er ihren Blick erwiderte. Acht von zehn erhoben sich lächelnd und setzten sich zu ihr. Sie probierte einige Variationen aus: ein schmollender Sie wissen-schon-was-ich-meine-Blick, auf den sie anbissen wie die Lachse. Es gab aber auch einen unter zehn, den man mit einem ernsten Blick ködern mußte. Die Sorte trug gewöhnlich schwarze Kleidung.
Natürlich reagierten einige überhaupt nicht. Jahne tröstete sich damit, daß es auch treue Ehemänner geben mußte. Nach den langen Hungerjahren geriet L.A. für Jahne zum Festschmaus. Obwohl sie flirtete und wie vierundzwanzig aussah, war sie ja in Wahrheit sechsunddreißig, und so mußte sie sich bei den Sprüchen der Männer mitunter das Lachen verbeißen. Sie stellten sich als Produzenten oder gute Freunde von Produzenten vor, oder sie arbeiteten angeblich für eine unabhängige Produktionsgesellschaft, ohne die Tätigkeit näher zu definieren. Keiner arbeitete bei einer Versicherung, einer Bank oder am Computer. Alle nur in der Industrie . Sie unterhielt sich gut und lachte viel, schloß jedoch nie Bekanntschaften oder gab ihre Telefonnummer preis. Sie fand es zu anstrengend, tagsüber die verführerische Schöne zu spielen und das am Abend fortzusetzen. Nachts mußte sie sich erholen.
Pete Warren, ihr Nachbar im Star Drop, kam immer wieder vorbei. Er war vierundzwanzig und arbeitete als Kameramann. Sein Vater war Filmvorführer in einem der Studios. Jahne fand Pete nett, sehr kalifornisch und sehr, sehr jung. Abends tranken sie ein oder zwei Bier und saßen vor dem Fernseher. Pete wohnte nur solange im Star Drop, bis seine Wohnung, die er zur Untervermietung freigegeben hatte, während er zu Außenaufnahmen unterwegs war, wieder frei wurde.
So unkompliziert ihr Zusammensein verlief, so seltsam war es auch. Pete nahm an, daß sie beide gleichaltrig waren, und Jahne klärte ihn nicht auf. Doch sie hatte vergessen, welche Unterschiede zwischen einem Vierundzwanzigjährigen und einer Sechsunddreißigjährigen bestehen, zwischen New Yorker und kalifornischer Mentalität. Für sie war er ein Kind, wenn auch eines mit viel Sex-Appeal.
Pete erzählte Jahne vom Melrose Playhouse, einem Theater in West Hollywood. Petes Schwester war dort Beleuchterin und konnte Jahne einen Vorsprechtermin verschaffen.
Tatsächlich klappte es mit dem Vorsprechen im Melrose Playhouse. Doch es sprang nur eine Rolle als Hintergrund für eine Bierreklame heraus, die am Venice Beach aufgenommen wurde. Immerhin war das ein Anfang.
Am Abend freute Jahne sich schon darauf, Pete von ihren Erlebnissen des Tages erzählen zu können. Er strotzte vor Optimismus und guten Ratschlägen. Und er glaubte fest an ihren Erfolg.
Eines Abends versuchte Pete sie zu küssen. Sie schob ihn von sich. Die nächsten Abende erschien er nicht. Das bedauerte sie sehr. Sie merkte erst jetzt, wie einsam sie ohne ihn war und daß es ihr fehlte, seine großen Hände um die Bierdose zu sehen und seine weißen Zähne beim Lachen. Er
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