Die schoenen Hyaenen
dieser ihr zwar den Weg erklärt, doch sie hatte vieles davon vergessen, und Kartenlesen lag ihr ohnehin nicht. Zudem war Los Angeles sehr viel größer als Bakersfield. Sie verfuhren sich noch einmal. Als sie schließlich La Cienega Boulevard erreichten, atmete Sharleen auf. Sie hatte sich so hübsch gemacht wie nur möglich. Sie trug einen schicken Rock zu einer neuen blauen Bluse mit weißem Spitzenkragen und silbernem Glitzerschmuck an den Manschetten. Ihre weißen Pumps hatte sie dick mit weißer Schuhcreme eingerieben. So sah man die abgenutzten Stellen nicht.
Als Sharleen ausstieg, wäre sie jedoch fast in Tränen ausgebrochen. Ihr billiger Rock war total zerknittert, und die Knitter ließen sich auch nicht glätten. Die Bluse war verschwitzt. Dunkle Flecken am Rücken und unter den Armen verdarben den vorher so adretten Anblick. Ihr Gesicht glänzte vor Schweiß, das Haar hing feucht herunter.
»Dean, du wartest hier, okay?«
»Klar, Sharleen. Meinst du, du kriegst bald einen neuen Job?«
Sharleen wußte nicht, auf was sie sich einließ. Wenn der Mann nun gelogen hatte und sie vergewaltigen wollte? Gehörte er etwa zur Mafia oder noch etwas Schlimmeren? »Hoffentlich, Darling.«
Sharleen ging zu dem gewaltigen Bürogebäude. Es wirkte neu. Glänzender Marmorfußboden und glitzernde Metallbeschläge wohin man blickte. Die Kühle im Innern ließ Sharleen frösteln. Ihr Nervosität wuchs ins Unermessliche. Was sollten sie und Dean nur machen, wenn sie auch hier keinen Job bekam? Sie umklammerte ihre Lackledertasche. Sharleen und Dean besaßen gerade noch sechsundsiebzig Dollar. Zögernd drücke sie auf den Fahrstuhlknopf. Sie ließ sich ins zwölfte Stockwerk bringen und betete: Herr, hilf mir, eine ehrliche Arbeit zu finden.
»Muß ich erst Jiddisch mit dir reden, bevor du endlich vernünftige Arbeit ablieferst?« wollte Sy Ortis von Milton Glick wissen.
»Sy, ich weiß, daß dir das Mädchen gefallen wird.«
»Das möchte ich dir raten. Es muß nämlich auch Marty gefallen. Sonst hast du Pech und bist aus dem Geschäft.« Sy war wütend über Bethanie Lake, ein Nichts von der Ostküste, das Marty in Erwägung zog. Bethanie war schon verschiedentlich herumgereicht worden. Doch da er mit ihr keinen Vertrag hatte, würde sie ihm keinen müden Dollar einbringen.
Mitunter verliert man vor Verzweiflung seine Objektivität. Auch wenn Sharleen Smith nicht das hübscheste Mädchen auf Gottes Erdboden gewesen wäre, hätten diese beiden Männer sie wahrscheinlich in ihrer Endzeitstimmung dafür gehalten. Doch als sie jetzt in das Besprechungszimmer kam, hatte sie noch nie reizender ausgesehen. Die billigen Kleider, das unordentliche Haar, ihr erhitztes Gesicht gaben ihr etwas unwiderstehlich Jugendliches und Sinnliches.
»Mr. Glick?« fragte sie. »Erinnern Sie sich an mich? Ich bin die Sharleen von Bakersfield.«
Sy Ortis stand auf und ging zu ihr. Sharleen wurde nicht aufgefordert, sich zu setzen. Sy ging um das Mädchen herum. Dann sah er Milton an.
»Fast weißblond. Keine dunklen Haarwurzeln. Das wird Monica Flanders gefallen. Eine Möglichkeit ist das immerhin«, sagte er zu Milton. »Ist das Ihr echtes Haar, Sharleen aus Bakersfield?«
»Ja, sicher.« Doch in ihrer Nervosität wurde aus dem Ja ein Jeah. Ihr breiter Südstaatenakzent machte sich bemerkbar.
»Gib ihr was zum Vorlesen«, befahl Ortis. Milton jubilierte innerlich. Er gab dem Mädchen eine blaue Kladde und zeigte ihr die Textstelle.
Milton las eine Zeile, dann stolperte Sharleen durch die nächste. Dann wieder Milton.
Sy hörte kaum zu. Er wußte, daß es Marty hauptsächlich auf den Gesamteindruck ankam. Und an dem gab es nichts auszusetzen. Benutzte dieses junge Ding überhaupt Make up? Aber das schadete jetzt auch nichts. Man könnte es ihr ja beibringen. Außerdem sah sie so aus, als würde sie sich noch den Po mit Lippenstift bemalen, sofern man das von ihr verlangte. Sy sah sich schon den Vertrag mit Flanders aufsetzen. Wahrscheinlich würde Sharleen schon für weniger als hunderttausend Dollar unterzeichnen. Dann konnte er einen gleichhohen Betrag für seine Entdeckung einstreichen.
Sy war viel zu gerissen, als daß er sich seine Genugtuung hätte anmerken lassen. Er ging zum Telefon und tippte einige Ziffern ein. Nach einer Weile wurde der Hörer am anderen Ende der Leitung abgehoben.
»Marty? «
»Was ist, Sy?«
»Marty, möchten Sie Clover kennenlernen?«
»Sicher.«
Sy machte Sharleen ein Zeichen. »Sagen Sie Hallo zu
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