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Die schoenen Hyaenen

Die schoenen Hyaenen

Titel: Die schoenen Hyaenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olivia Goldsmith
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doch der Star dieser kleinen Show sein sollen! Warum wurde er nicht als Star behandelt? Er war davon ausgegangen, daß er endlich Erfolg haben würde, endlich Achtung erwarten durfte, vielleicht sogar Einfluß. Nun zitterte er vor der Zukunft.
    Doch der Text war miserabel, der Präsident ein lausiger Schauspieler, die First Lady eine dumme Kuh, die ständig patzte. Sie verdarb auch Neil die Rolle. Wenn sie mit dieser Rolle auf die Nase fiel, würde sie einfach mit einem anderen Mann schlafen und ihre nächste Rolle bekommen. Mit Neil stand das anders. Wohin sollte er gehen, wenn er hier einen Reinfall erlebte?
    Neil wußte, daß es hier um Sein oder Nichtsein ging. Vielleicht hätte er wirklich Sy Ortis' Sekretärin nicht anbrüllen sollen. Vielleicht hätte er nicht mit dem unbedeutenden Agenten in Sys Büro sprechen sollen. Alles Fehler.
    Ich habe darüber schon in meiner Kolumne geschrieben. Doch an sich ist das alles keine große Sache. Jährlich werden weit über vierhundert Pilotsendungen gemacht. Nur zwei Dutzend gehen in Serie. Und von diesen halten sich auch nur ein oder zwei länger als ein Jahr. Neil durfte also nur von einer statistischen Wahrscheinlichkeit ausgehen.
    Veränderungen sind Scheiße. Zugegeben, nicht alle. Man gewöhnt sich mühelos an ein Haus an der Küste, an einen BMW, an eine Haushälterin, die sich um Wäsche und Mahlzeiten kümmert. Damit wird man auch nach einem entbehrungsreichen Leben spielend fertig. Neil Morelli stellte das vor keinerlei Probleme. Er nahm die Vorteile hin, als sei er mit ihnen geboren worden.
    Anders verhält sich das mit Veränderungen, die Neil in den vergangenen Monaten hatte bewältigen müssen. Seine Show war abgesetzt worden. Er mußte sich wieder an eine kleine Wohnung in Encino gewöhnen, an schmutzige Wäsche, um die er sich selbst zu kümmern hatte, und an einen Aushilfsjob.
    Eine Scheißsklavenarbeit für idiotische Chefs — und das Ganze für ein Trinkgeld! Neil Morelli kam nach seinem kurzen Entertainment in einem Lokal müde und deprimiert in seine Wohnung. Daß seine Show abgesetzt wurde, hatte ihn noch nicht einmal sonderlich überrascht. Er hatte ja von Anfang an gesagt, daß die Texte schlecht waren, die Texter viertklassig.
    Doch sein Wissen um das Versagen hatte ihn nicht auf die verheerenden Folgen vorbereitet. In den ersten Wochen danach verbrachte Neil die meiste Zeit am Telefon und sprach mit jedem, der ihm in Ortis' Büro zuhören wollte. Schließlich erhielt er die unvermeidliche Antwort: »Rufen Sie uns bitte nicht mehr an. Sie erhalten von uns Bescheid.« Der große Sy Ortis sprach überhaupt nicht mit ihm. Kein einziges Mal.
    Wie stets, versuchte Neil auch jetzt, über sich selbst zu lachen und auf die Weise damit fertigzuwerden. Doch diesmal half es nicht. Es gab keine Mary Jane mehr, die mit ihm lachen konnte. Neil wurde zunehmend isoliert und träge. Er wußte, daß er sich aufraffen mußte. Sein Geld ging zur Neige. Er hatte keine Pläne, sein Agent hatte ihn fallengelassen. Nach New York wollte er nicht mit eingeklemmten Schwanz zurück. Darum machte er das einzige, von dem er etwas verstand. Er arbeitete an Texten für neue Auftritte. Schrieb und verbesserte. Doch es ist nicht leicht, witzig zu sein, wenn man sich wie Dreck aus der Gosse fühlt.
    Von einem Tag zum anderen vollzog sich der Wechsel von Malibu nach Encino, von einem geleasten BMW zu einem gebrauchten Honda, von einer Titelrolle in einer TV-Serie zu der Lohnarbeit eines Kellners in einem Clublokal. Er warf sich auf seine Schlafcouch, die er auch tagsüber nicht zusammenklappte. Es gab niemanden, der ihm zur Seite stand, dagegen genügend, die hämisch über ihn grinsten. Sogar seine Schwester Brenda würde ihm nur kurzfristig mit Geld aushelfen können und ihm raten, zurückzukommen. Er schämte sich entsetzlich. In der nächtlichen Stille dachte er, wie so oft, an Mary Jane. Sie würde ihn verstehen, ihn trösten. Sonst verstand ihn niemand, allerdings fand er auch keinen Zugang zu den Menschen.
    Als er wenige Monate nach seiner Ankunft in L.A. versucht hatte, Mary Jane telefonisch zu erreichen, mußte er feststellen, daß ihr Telefon abgemeldet worden war. Die Karten, die er schrieb, kamen zurück. Sie war ausgezogen und hatte keine Nachsendeadresse hinterlassen. Neil vermißte sie. Jetzt in der Stunde seines Elends noch mehr als damals bei seinem Erfolg.
    Er zog die Hose aus und ging in das, was sein Hauswirt als Küche bezeichnete, diesen Namen aber nicht

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