Die schoenen Hyaenen
verdiente. Er nahm ein Bier aus dem Kühlschrank und stellte den Warmwasserhahn in der Dusche an. Darauf wenigstens konnte man sich verlassen. Nach genau zehn Minuten lief das Wasser endlich warm. Neil begrüßte die Nacht. Er hoffte, schlafen zu können, bevor das Tageslicht ins Zimmer fiel und die ganze schäbige Umgebung, die das Dunkel jetzt gnädig verbarg, deutlich machte.
Er kannte die ausgetretene Stelle in dem Acrylteppich, obwohl er es für unmöglich gehalten hatte, daß man einen Acrylteppich abnützen könnte. Über dem Ausguss in der Küche war die Mauer aufgerissen. Der Schaden stammte von einem undichten Wasserrohr in der Wohnung über Neil. Der Herd war von eingebranntem Fett verkrustet. Über allem hing der Geruch nach Verfall. Neil sog tief das Bieraroma ein. Das wenigstens roch gut.
Später lag er wieder auf dem Bett. Er wurde schläfrig, glaubte schon, einschlafen zu können. Doch da hörte er sie wieder. Die Worte schienen über sein linkes Ohr einzudringen, seine Gehirnzellen zu durchbohren und sein Rückgrat zu erschüttern. Er hörte seine eigenen Worte, die er am Abend als seine Entertainment-Einlage gebracht hatte. Er mußte sie noch einmal hören, obwohl er das nicht wollte.
So ging das schon seit Monaten. Jeden Abend ging er zur Arbeit, bediente als Kellner, wartete auf seinen Auftritt, die letzte von drei Nummern an jedem Abend. Dann kam er zurück zu seiner Wohnung, duschte, ging zu Bett, und bevor er einschlafen konnte, wiederholte er den ganzen Text. Die Worte kreisten in seinem Kopf. Pausenlos. Manchmal konnte Neil verhältnismäßig ungestört einschlafen. Doch meist schrie er im Halbschlaf. Dann stand er auf, schrieb seinen Text um, bis er glaubte, eine bessere Formulierung gefunden zu haben, fügte etwas hinzu, strich etwas anderes aus. Einige Stunden schlief er, bis es wieder Zeit zum Kellner wurde.
An diesem Abend hatte er eine gute Kritik bekommen. Er hatte etwas über Hollywood-Agenten eingefügt und hörte noch jetzt, wie die Gäste schallend lachten. Nach einer monatelangen Durststrecke hatte er einen guten Aufhänger gefunden. Daran konnte er feilen. Er glaubte an eine zweite Chance, glaubte, bald dieses grässliche Encino verlassen zu können.
11.
Auf der Fahrt zu dem Fernsehstudio zwang Jahne sich zu eiserner Ruhe. Ihr Toyota wurde mißtrauisch vom Pförtner kontrolliert, bis er ihren Namen auf der Besucherliste fand und ausstrich.
Wie bereitet man sich auf die Chance seines Lebens vor? Jahne hatte den besten Friseur in L.A. aufgesucht. Viendra war ein Mann in einem enganliegenden roten Kleid und Riemchensandaletten. Er betrachtete Jahnes schweres Haar. »Was haben wir denn hier?« zierte er sich. »Was halten Sie von einem, Kurzhaarschnitt? Das Gesicht dafür haben Sie.«
»Gar keinen Haarschnitt. Können Sie nur die grauen Haare nachfärben?«
»Hmm.« Er dachte nach, tänzelte um sie herum und schüttelte den Kopf. »Nein. Damit sähe das andere stumpf aus. Es gibt nichts Schlimmeres als gefärbtes schwarzes Haar. Da weiß ich etwas Besseres. Wir setzen die Glanzlichter mit Blau.«
»Blau?« fragte sie unsicher. Doch sie sah ein, daß die blaue Farbe das Schwarz noch dunkler erscheinen lassen und zum Glänzen bringen würde. Sie stimmte also zu.
Jahne fuhr zum Gebäude Nummer 3. Als sie an Tara, dem Haus aus Selznicks Vom Winde verweht vorbeikam, riß sie bewundernd die Augen auf — wie jeder Tourist. In dem Gebäude hatte Selznick gewirkt. Jahne betrat es jetzt, wie vor ihr Ingrid Bergman, Olivia de Havilland und Vivien Leigh. Sie holte tief Luft. Ihre Hände zitterten. Ganz so schwer hatte sie sich das nicht vorgestellt. Im Taschenspiegel überprüfte sie ihr Gesicht. Sie sah ein wenig blaß aus, aber gut. Ihr Haar glänzte wie das Gefieder eines Raben.
Eine hübsche junge Frau kam Jahne entgegen. »Marty erwartet Sie schon.«
Wortlos folgte sie der Frau einen Gang entlang, den hunderte, sogar tausende Schauspieler schon vor ihr entlanggegangen waren. Du bist Jahne Moore, begabt, schön, sagte sie sich immer wieder.
Marty DiGennaro saß zusammengesunken auf einem Ledersofa, umgeben von einem wahren Kabelsalat, Kameras und Jupiterlampen. Er sprang sofort auf, als sie hereinkam. Jahne wurde bei seinem Anblick an einen Whippet erinnert, einen dieser drahtigen kleinen Rennhunde, auf die gewettet wurde.
»Nehmen Sie Platz, Jahne.«
Sie setzte sich ihm gegenüber. Er wies auf die Leute, die mit der Ausrüstung beschäftigt waren. »Das sind Bill, Steve und
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