Die schoenen Muetter anderer Toechter
meiner Freundinnen inzwischen keine eifrigen Szenegängerinnen mehr waren und ich somit nicht allzu vielen bekannten Gesichtern begegnen würde, schreckte mich nicht. Immerhin hatte ich einen guten Grund, um allein diesen Gang zu wagen. Und genau da lag mein Problem: beim Gang. Ich blickte skeptisch auf meinen hochgelagerten und bandagierten Fuß. Mit dem konnte ich noch nicht einmal richtig gehen und schon gar nicht Auto fahren.
Ich war also demütigenderweise auf Fahrdienste meiner Lieben angewiesen.
Jackie hatte ein Blind Date mit einer Frau, auf deren Kontaktanzeige sie geantwortet hatte. Ellen hatte Theaterkarten. Alle anderen, die ich anrief, hatten keine Lust oder keine Zeit. Es war wie verhext. Ich hörte mich selber in dem, was sie mir mit müden oder gelangweilten Stimmen am Telefon erzählten:
»Schwof? Heute ist Schwof?« – »Da kommt heute dieser Film im Fernsehen, mit dieser tollen Schauspielerin …« – »Raclette. Wir machen Raclette. Das wird urgemütlich. Wenn du willst, komm doch auch! Hinterher spielen wir noch etwas Karten.« – »Ach, ich weiß nicht … Was sollte ich anziehen?« – »Vielleicht nächste Woche, Michelin.«
Nächste Woche, das war niemandem außer mir klar, würde ich nicht mehr dieselbe sein, wenn das so weiterging! Ich wusste, ich musste dorthin!
Nach einer Dreiviertelstunde hörte ich wieder den Schlüssel im Schloss, und Frauke kam schwer beladen herein.
»Was machst du denn für ein Gesicht?«, erkundigte sie sich gleich und hievte die voll gepackten Taschen auf den Tisch, um sie auszuräumen. »Nein, bleib sitzen, ich mach das für dich.«
»Was für ein Gesicht mache ich denn?«, fragte ich abwesend und spielte mit dem Gedanken, meine Mutter anzurufen. Sie hatte vor einigen Jahren mal Interesse geäußert, sich dieses ›Lesbengehüpfe‹ ja mal aus der Nähe ansehen zu können. Vielleicht hätte sie heute Lust dazu?
Während Frauke meine Lebensmittel in den Schränken verstaute, brütete ich dumpf vor mich hin. Wen hatte ich bei meinen Anrufen bisher vergessen?
»Kommt der Zucker hier neben das Salz?«
»Nee, oben, zum Mehl.«
»Butter in den Kühlschrank?«
»Nee.«
»Ich hab Strauchtomaten genommen. Ist dir das recht? Sehr aromatisch. Hm, wie die duften. Riech mal!«
Sie hielt mir die Tüte unter die Nase, und ich sah sie verklärt an.
»Du bist eine prima Freundin, Frauke«, sagte ich.
Frauke schaute etwas verdutzt, lächelte dann aber erfreut, ein wenig verlegen.
»Das würdest du für mich doch auch tun, Michelin!«, meinte sie und räumte geschäftig Käse und Eier in den Kühlschrank.
»Und noch mehr!«, versicherte ich ihr.
»Na, ich bestimmt ebenso!«, gab Frauke großspurig zurück.
»Tatsächlich?«, hakte ich nach.
Diesmal war ihr Blick ein wenig vorsichtiger.
»Worauf willst du hinaus?«
Frauke ist eine bewundernswert energische und hilfsbereite Frau. Sie denkt niemals zuerst an sich und stellt sich gern für andere in den Sturm, um ihren ausgeprägten Beschützertrieb auszuleben. In dieser Hinsicht gehört Mut unbedingt zu ihren Charakterstärken. Würde sie einen Spaziergänger beim Wegwerfen einer Coladose oder einen Hundebesitzer bei unfairer Behandlung seines Rauhaardackels beobachten, würde sie keine Sekunde zögern und sich in jede unerfreulich streitbare Begegnung hineinwerfen. Allerdings gibt es einen Punkt, an dem Frauke immer wieder klein und feige wird: der Frauenschwof.
Bis heute war mir nicht ganz klar, wieso sie meine Aufmunterungen, doch einmal just for fun mitzukommen, stets so rigoros ablehnte. Es war keineswegs so, dass es sie nicht interessierte. Nein, es war etwas anderes. Jedes Mal, wenn wir auf dieses Thema kamen, las ich statt Desinteresse in ihrer Miene etwas ganz Ähnliches wie Panik. Auf meine intensiven neugierigen Nachfragen antwortete sie nur vage. Scheinbar spukte in ihrem Kopf eine Vision herum, die ihr unverhältnismäßige Angst einflößte: Nichts wäre peinigender für sie, würde sie, groß, schlank, knallkurzhaarig und blond, mit einem auffällig hübschen Grübchen in der Wange, auf einem solchen illustren Tanzvergnügen von einer Lesbe angequatscht werden, etwa mit den Worten: »Kann ich dir von der Theke etwas zu trinken mitbringen?«
Wie würde ich sie also jetzt überzeugen können?
»Frauke. Es handelt sich hier um einen echten Notfall«, begann ich und erklärte ihr meine missliche Lage.
Meine hilfsbereite Freundin und risikobereite Kollegin musste schlucken.
»Ich würde dich
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