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Die schoenen Muetter anderer Toechter

Die schoenen Muetter anderer Toechter

Titel: Die schoenen Muetter anderer Toechter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miriam Muentefering
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meine Sonnenbrillengläser hinauf. Hinter den Fensterscheiben waren Pflanzen zu sehen und hin und wieder eine kleine Tischlampe oder ein Kerzenhalter. Keine Gardinen. Die Fenster waren mir sehr sympathisch.
    Ich wandte mich wieder um und bemerkte, dass Frauke auf ihren Sitz immer tiefer gerutscht war.
    »Was machst du denn da?«, raunte ich ihr zu. »Das sieht merkwürdig aus. So was fällt auf.«
    »Ich schäme mich, Michelin. Was wir hier machen, ist pubertär. Ich hab so was noch nie getan. Was ist, wenn jemand den Spieß einfach rumdreht und uns beobachtet?«
    »Der soll sich was schämen!«, konterte ich und rückte meine Mütze zurecht. Hinter den Fenstern im zweiten Stock rührte sich nichts. Doch Frauke hatte recht. In dem Fall, dass jemand zufällig aus dem Fenster sehen sollte, würden wir gewiss einen ungewöhnlichen Anblick bieten. »Also, gut, lass uns fahren. Einen ersten Eindruck habe ich ja jetzt. Außerdem will ich noch ein paar Dinge erledigen. Hände maniküren. Klamotten für heute Abend raussuchen, notfalls bügeln. Irgendwas muss ich auch mit meinen Haaren machen. Vielleicht ein paar dezente helle Strähnchen, was meinst du?«

    Als wir am Abend die Kasse des Frauenschwofs passierten, waren Fraukes Augen so weit aufgerissen, als stände sie unter Drogen. Sie vermied es, in irgendeine andere Richtung zu sehen als auf den Boden, an die gegenüberliegende Wand oder in mein Gesicht.
    Ich nahm einen der vielen angebotenen Weingummischnuller aus der Schale neben dem Wechselgeld und steckte ihn ihr in den Mund.
    »Was hat Lothar zu deiner ungewöhnlichen Abendgestaltung gesagt?«, erkundigte ich mich. Vielleicht würde ihr ein kleines Schwätzchen über ihre Nervosität hinweghelfen. Nun. Vielleicht würde ein kleines Schwätzchen auch mir über meine Nervosität hinweghelfen?
    »Nichts«, erwiderte sie achselzuckend. »Er hat mich nur so angesehen. Du weißt schon, dieser Blick, mit dem dir dein Partner zu verstehen geben will, dass er dich liebt und respektiert, für manche deiner Einfälle aber einfach kein Verständnis aufbringen kann.«
    »Du meinst, er hat was dagegen, dass du mich heute begleitest? Es ist doch nur dieses eine Mal. Ein Notfall.«
    »An den Spruch ›Einmal ist keinmal‹ habe ich noch nie geglaubt. Es könnte ja ausreichen.«
    In der Tür zum Discobereich blieb ich stehen und sah Frauke aufmerksam an. »Lothar befürchtet doch nicht etwa, dass du die Fakultäten wechseln könntest?«
    »Hä?«, machte Frauke, doch dann fiel auch bei ihr der Groschen. Sie errötete und murmelte: »Was weiß ich, was er denkt.«
    Ich musste den Blick abwenden, um sie mein Grinsen nicht sehen zu lassen. Ich fand ihre Berührungsängste niedlich. Ihr erster Frauenschwof! Ich versuchte mich zu erinnern, wie ich mich damals bei meinem gefühlt hatte. Eine vage Ahnung stieg in mir auf, dass es gar nicht so anders gewesen war: eine erfahrene Freundin vornweg und ich hinterdrein. Angefüllt mit den unterschiedlichsten Emotionen. Stolz, diesen Schritt zu tun, einen weiteren auf dem etwas holprigen Weg zu meinem wahren Ich. Das Hochgefühl, dazuzugehören. Wie oft hatte ich mich wie ein Alien gefühlt während meiner Schulzeit, in dem Kuhdorf, in dem ich aufgewachsen war, wo ich so offensichtlich anders war als alle anderen. Und damals, auf meinen ersten Szenestreifzügen, durchflutete mich Euphorie, da ich mich endlich einmal nicht unterschied von denen, die mich so gut gelaunt und lachend umgaben. Stattdessen war ich eine von ihnen. Diese positiven Gefühle, vermixt mit dem Staunen darüber, wie viele es waren, wurde durchsetzt von einem Kribbeln und Bitzeln im Magen. Das war die Furcht, eine könne mich ansprechen, Interesse an mir bekunden. Wie sollte ich reagieren?
    Diese knifflige Situation hatte ich mittlerweile schon viel Male bestanden. Mein erster Schwof lag zehn Jahre zurück. Zehn Jahre, in denen ich viel über Lesben im Allgemeinen und mich selbst im Besonderen gelernt hatte. Ich hatte erfahren, dass wir Lesben im Grunde nur eines gemein haben: Wir lieben Frauen statt Männer. Die Gründe hierfür sind so unterschiedlich, wie in einer klaren Mittsommernacht Sterne am Himmel stehen. Als mir das klar wurde, hörte ich auf, alle kurzhaarigen Frauen mit gepflegten Händen und kurzen Fingernägeln über einen Kamm zu scheren. Ich lernte zum Beispiel die politisch engagierten Lesben von denen zu unterscheiden, deren Interesse in erster Linie den Partys gilt. Und als ich mehr und mehr Frauen

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