Die schoenen Muetter anderer Toechter
Ruck. »Ich hab Nancy von dem verschwundenen Manuskript erzählt.«
Mir klappte der Unterkiefer runter. Ich war sprachlos.
»Was?«
Frauke beobachtete meine Reaktion mit zusammengebissenen Zähnen.
»Dachte ich mir, dass du nicht so erfreut bist. Erst hab ich gar nichts dabei gefunden. Aber dann am Ende des Telefonats hat Nancy so was Komisches gesagt. Sie sagte, sie müsse jetzt noch unbedingt ein paar Leute anrufen. Und da dachte ich dann, dass sie vielleicht …«
»Bist du irrsinnig?«, schrie ich sie an. Meine Sprachblockade war mit einem Male aufgehoben. »Wir sollten nicht mal unseren engsten Freundinnen davon erzählen, haben Jackie und Christine uns eingebläut, du warst dabei! Wir sollten es niemandem anvertrauen. Niemandem! Es wird rumgehen wie ein Lauffeuer, und jetzt haben wir keine noch so geringste Chance mehr, rauszufinden, wer hinter dem Diebstahl steckt.«
»Woher sollte ich denn wissen, dass sie gleich alle ihre Bekannten anruft und ihnen davon erzählt? Ich fand, sie klang ganz vernünftig. Ich hab das wirklich nicht aus böser Absicht heraus getan«, versuchte Frauke sich zerknirscht zu entschuldigen.
»Das macht es leider auch nicht besser«, raunzte ich sie an. »Fahrlässigkeit ist in diesem Fall leider genauso verheerend!«
Jetzt verzog sich auch Fraukes Gesicht leicht verärgert. »Also, hör mal, das klingt ja, als hätte ich eine Straftat begangen. Verschieb da mal nicht die Relationen. Ich hab nur etwas zu viel erzählt. Das ist alles.«
»Frauke, du verstehst das nicht! Das wäre der notwendige Hinweis gewesen. Aber so? Wie sollen wir jetzt noch auseinanderhalten können, was von der Diebin und was von … dir ausgeht?« Ausgerechnet meiner Freundin musste so etwas passieren!
»Ich wusste doch nicht, dass das so schnell die Runde macht. Ich weiß auch nicht, wieso ich das erzählt habe. Jetzt sei doch nicht so sauer, Michelin«, bat sie.
»Ich bin aber sauer! Wie steh ich jetzt da? Meine liebe Kollegin, ohne einen blassen Schimmer von der Szene, hat trotz ausdrücklicher Absprachen nichts anderes zu tun, als loszuziehen und Dinge rumzutratschen, die kein Mensch erfahren sollte. Was ist nur in dich gefahren?«
»Was in mich gefahren ist?«, fauchte Frauke zurück. »Frag dich mal, was in dich gefahren ist! Du führst dich ja auf, als hätte ich eine Todsünde begangen. Ich hab Scheiß gebaut, und es tut mir leid, okay. Aber hör auf, mir ständig vorzuhalten, dass ich keine Ahnung von der Lesbenszene habe. Ich bin nun mal keine Lesbe, kapiert?!«
»Dann halt dich gefälligst auch raus aus unseren Angelegenheiten!«, bölkte ich.
»Das werd ich jetzt auch. Ich hab nämlich die Nase gestrichen voll von euch, das kann ich dir sagen.«
»Ach ja? Und wieso musstest du dann unbedingt vor Nancy damit angeben, dass du so viel weißt über die Szenebekanntheit Frederike und deren verschwundenes Buch? Wieso flirtest du hier mit Iris in der Küche herum, wo du dich doch sonst immer so vor Lesben gefürchtet hast? Das sieht für mich eher so aus, als hättest du in letzter Zeit gesteigertes Interesse an allem, was zwischen Frauen so abgeht.«
»Du mit deinem elitären Lesbengefasel!«, fauchte Frauke. »Du tust immer so, als müsse man erst ein Diplom machen, um in euren Kreisen aufgenommen zu werden. Und jetzt soll ich mich dafür entschuldigen, dass ich irgendwelche Sitten und Gebräuche nicht kenne. Weißt du, was ihr seid? Einfach nur ein Haufen Weiber, die sich einbilden, weiß der Himmel was Besonderes zu sein. Ihr schreit zwar immer nach Gleichberechtigung, aber selber haltet ihr nicht viel davon, weil ihr selbstverständlich noch ein wenig gleicher als alle anderen seid. Ich hab die Schnauze voll von dem Gelaber über Lesben, die ja so was von speziell sind, dass ich sie sowieso nie verstehen werde. Das denkst du doch die ganze Zeit, oder?«
»Tu nicht so, als wüsstest du, was ich denke!«, fuhr ich sie an.
Frauke sprang von ihrem Stuhl auf und fuchtelte mit dem Zeigefinger vor meiner Nase herum. »Ich weiß es aber nun mal. Du denkst, dass Lesben verdammt noch mal die besseren Menschen sind und dass jede, die es noch nie mit einer Frau probiert hat, eigentlich hinter dem Mond lebt oder sich unterdrücken lässt oder sich selber noch nicht entdeckt hat. Am besten alles zusammen. Aber das eine sag ich dir, Michelin, wenn ich wollte, dann könnte ich ratzfatz auch lesbisch sein, und da würdest du ganz schön dumm aus der Wäsche gucken!« Damit drehte sie sich ruckartig
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