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Die schoenen Muetter anderer Toechter

Die schoenen Muetter anderer Toechter

Titel: Die schoenen Muetter anderer Toechter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miriam Muentefering
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Gefühl galoppierte plötzlich in mir herum. Es behagte mir ganz und gar nicht, dass Angela mich mit ihrer Tochter verglich. Ja, ich ertappte mich dabei, wie ich von Lena als ›Tochter‹ dachte. Verwirrt schwieg ich und vergaß, etwas zu erwidern.
    »Was denkst du darüber?«, wollte sie schließlich wissen.
    »Worüber?«
    »Na, über Volker natürlich.«
    »Ganz ehrlich?«
    »Ich bitte darum!«
    »Sei froh, dass du ihn los bist!«, sagte ich aus ganzem Herzen.
    Die Vision des geplanten Abendessens zog vor mir auf, und mir wurde übel. Wahrscheinlich war Volker für seine Prinzessinnentochter Lena ein herzensguter Papi, aber als Partner schien er mir eher begnadet schlecht veranlagt zu sein. Worauf hatte ich mich da nur wieder eingelassen?
    Das Wasser glitzerte klar und silbern im Sonnenlicht. Bestimmt war es kalt und erfrischend. Niemand außer uns hatte heute den Weg hierher gefunden.
    »Wollen wir schwimmen?«, schlug ich vor.
    Angela schaute entsetzt. »Was? Ja, aber … es ist doch erst Anfang Juni.«
    »Und es ist so warm wie im August!«
    »Ich habe keinen Badeanzug dabei.«
    »Den habe ich allerdings auch nicht.«
    Wir saßen nebeneinander am Ufer und sahen hinüber zur anderen Seite.
    »Das ist Jahre, ach, Jahrzehnte her, seit ich das mal gemacht habe«, murmelte Angela. Und dann, plötzlich, kam Leben in sie. Sie knöpfte sich die Bluse auf, zog die Jeans herunter und entledigte sich ihrer Socken.
    »Und? Was ist nun?«, fragte sie atemlos. Ich schlüpfte aus den Schuhen und meinem Trägerkleid. Das T-Shirt, das ich darunter getragen hatte, ging mir bis kurz über den Bauchnabel. Es gab einen hervorragenden Bikiniersatz ab.
    »Traust du dich bis ans andere Ufer?«, rief ich ihr zu und platschte ins Wasser.
    Angela sah rüber. Es waren vielleicht hundertfünfzig Meter bis hinüber.
    »Trauen schon«, flachste sie risikobereit. »Aber ob ich auch ankomme?«
    Wir warfen uns in den See und schwammen im Bruststil hinüber. Das Wasser war eiskalt. Wir waren verrückt. Eine von uns konnte einen Krampf bekommen oder so was.
    Aber nach ein paar Minuten kamen wir beide am steinigen Ufer der anderen Seite an. Wir schleppten uns weiter hinauf und ließen uns keuchend auf den spärlich mit Gras bewachsenen Boden plumpsen.
    Ich wagte nicht, in ihre Richtung zu blicken, denn ihr weißer BH war vollkommen durchsichtig geworden. Die von der Kälte aufgerichteten dunklen Warzen hoben sich mehr als deutlich ab.
    »Ho, ho! Hier kommt Bo Derek!«, witzelte Angela, als hätte sie erspürt, wohin ich nicht zu schauen versuchte.
    »Hoffentlich verschont uns Tarzan«, ging ich darauf ein und sah mich um, als erwartete ich jeden Augenblick einen heldenhaften Wilden mit Lendenschurz aus dem Unterholz brechen. »Mit der Anakonda werde ich schon allein fertig. Ich meine, nur für den Fall, dass du vorhast, den Film nachzuspielen und dich hier mit einer Riesenschlange anlegen willst.«
    »Tut es auch eine Blindschleiche?«
    Wir kicherten, als sei das ein enormer Witz gewesen. Seltsam, zu welchen Mitteln wir manchmal greifen, nur um darüber hinwegzutäuschen, dass wir uns gegenseitig heimlich mustern.
    »Gibt es eigentlich eine bestimmte Mode, die gerade so ›in‹ ist in der Szene?«, fragte Angela. »Dein T-Shirt zum Beispiel?«
    Ich sah an mir herunter. Ein dunkelblaues Rippenshirt mit weitem Ausschnitt, das mir bis kurz über den Bauchnabel reichte.
    »Gefällt es dir? Na ja, ich würde nicht sagen, dass das nur in der Szene Mode ist. Ich denke, in der Szene sind so viele verschiedene Richtungen vertreten … Es gibt Anhängerinnen der Sechziger, der Siebziger, der Achtziger, des HipHop oder der Technowelle. Skaterinnen haben ihre eigene Mode und auch die spirituellen Esoterik-Frauen. Es gibt die Schicken, die Hippen, die Flippigen und die Schlunzigen. Nein. Nein, keine Mode, wenn ich so recht darüber nachdenke. Wie kommst du darauf?«
    »Lena trägt auch manchmal so was. Und ihr seid nun mal die beiden Einzigen, die ich kenne«, antwortete Angela und legte damit ein minutenlanges Schweigen über uns. Es war das erste Mal seit unserer Begrüßung im Treppenhaus, dass eine von uns beiden Lena nicht nur als ihre Tochter erwähnte.
    Ihre Existenz als lesbische Frau hing plötzlich zwischen uns, als sei Lena persönlich anwesend. Angela legte die Arme um den Körper. Sie hatte eine Gänsehaut. Ich hoffte, sie würde nicht noch etwas über Lena sagen. Ich wollte nichts über Lena hören. Gerade war es mir noch so gut gegangen

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