Die schoenen Muetter anderer Toechter
Straße. Früher ist Volker immer gefahren. Und wenn ich dann mal hinters Steuer sollte, weil er auf einer Party zu viel getrunken hatte oder so … also, diese ständigen Kommentare haben mich einfach furchtbar nervös gemacht. Kein Wunder dass es dann wirklich mal zu einem Blechschaden kam, oder? Und das hat meine Scheu auch nicht gerade beseitigt. Ich hatte einfach irgendwann das Gefühl, dass ich wirklich alles verlernt habe. Und mittlerweile ist es eine Tatsache: Ich kann nicht mehr fahren!«
»So ein Unsinn!«, entfuhr es mir. »Vielleicht bist du wirklich unsicher. Meiner Meinung nach fehlt dir tatsächlich etwas Praxis. Aber Autofahren verlernt man nicht. Du hast ein bisschen Angst, das ist alles!«
»Das bisschen Angst ist zumindest so groß, dass ich jetzt schon fünfzehn Jahre keinen Wagen mehr gelenkt habe. Ich schätze mal, das ist ein überzeugendes Argument, um mir jetzt dein Schmuckstück nicht anzuvertrauen.« In ihrer Stimme klang bereits der Triumph derer, die wer weiß wie oft die Erfahrung gemacht hatte, dass gewiss niemand den eigenen Wagen von ihr fahren lassen würde. Sie rechnete wohl nicht damit, dass ich ein risikofreudiger Mensch bin.
»Das Schmuckstück ist zehn Jahre alt und hat schon Schlimmeres erlebt, als langsam von einer Wiedereinsteigerin einen Feldweg entlanggefahren zu werden. Außerdem warst du diejenige, die gerne hier rausfahren wollte«, erinnerte ich sie. Den erhobenen pädagogischen Zeigefinger in meinen Worten konnte ich fast schemenhaft sehen. »Ich habe uns deswegen hierher gefahren. Ich finde es nur rechtens, wenn du uns jetzt wieder zurückbringst. Basta!«
Angela verschränkte die Arme vor der Brust.
»Ich lasse mich doch nicht erpressen!«
Jetzt fand ich ihr Verhalten langsam regelrecht kindisch albern. Sie konnte doch nicht allen Ernstes Angst davor haben, einen Wagen zu lenken.
»Also, ich an deiner Stelle würde mich lieber zur Selbstständigkeit erpressen lassen, als dass ich mir jahrelang von meinem Partner derart mein Selbstbewusstsein untergraben lasse, dass ich mir Dinge wie Autofahren und wer weiß was noch alles, nicht mehr selber zutraue.«
»Bei dir piept es wohl!«, fuhr Angela mich entrüstet an. »Nur weil ich dir ein wenig von mir erzählt habe, weißt du noch lange nicht, wie meine Ehe funktioniert hat.«
»Von funktionieren kann ja wohl nicht mehr die Rede sein nach einem Jahr in Trennung«, pflaumte ich zurück. »Und bild dir doch nicht ein, dass du die einzige Frau bist, die sich von ihrem Mann hat vorschreiben lassen, was sie kann und was nicht und dabei immer brav seiner Meinung gefolgt ist. Wenn du dich weiterhin klein und schwach fühlen willst, meinetwegen. Aber bitte nicht jetzt und hier, denn ich würde gerne nach Hause. Mir wird allmählich kalt, und ich verpasse die Nachrichten, wenn wir nicht langsam losfahren.«
Angela hielt mir den Schlüssel hin.
»Nun, der Wagen wird sich keinen Zentimeter bewegen, wenn du ihn nicht fährst, denn ich werde diesen Zündschlüssel bestimmt nicht herumdrehen.«
Jetzt verschränkte auch ich die Arme demonstrativ. »Das werden wir ja sehen!«
Es war stockdunkel am See.
Durch die Nacht zirpten leise einige Grillen, die noch ein wenig eingerostet klangen. Dies war noch nicht ihre Jahreszeit. Eine Eule glitt ohne einen einzigen Flügelschlag über den Weg und verschwand lautlos im Wald
Auf Angelas Gesicht lag ein feiner Schimmer von Schweiß. Ihre Stirn zerfurchte sich in drei große Falten, während ihre Augen weit aufgerissen waren und ihre Mundwinkel immer zwischen ganz oben und ganz unten hin und her hüpften. Ihre verkrampfte Haltung hinderte sie nicht daran, laut zu kreischen, sobald wieder einmal aus dem scheinbaren Nichts vor uns plötzlich ein Schlagloch auftauchte. Jedes Mal, wenn der Wagen unerwartet ruckelte und holperte, kicherten wir beide in hohen Tönen.
»O Gott!«, schrie sie. »Da vorne kommt die Straße!«
»Irrtum!«, erwiderte ich trocken. »Wir kommen zur Straße! Und wie! Halt dich einfach an die einfachsten Regeln, alles andere wird schon irgendwie funktionieren.«
»Welche Regeln?«, rief Angela und bremste abrupt am Ende des Feldwegs ab. Sie sah mich kurz an. Ihr Gesicht war erhitzt, und ihre Wangen strahlten in leuchtendem Rot. Sie sah jung und lebendig aus. Und sehr schön.
»Erstens: Nie gleichzeitig bremsen und Gas geben! Zweitens: Kupplung treten, wenn ein Gang eingelegt wird. Und drittens …«, ich hielt mir in gespieltem Entsetzen die Hand vor die
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