Die schoenen Muetter anderer Toechter
einen Rückruf freuen.« Ich legte auf und starrte den Apparat an. Ich widerstand der Versuchung, noch einmal anzurufen, um noch einmal ihre Stimme zu hören. Ich tat es nicht und bildete mir ein, dass meine Entscheidung noch nicht gefallen sei.
Spätabends klingelte das Telefon. Ich stürzte hin und meldete mich atemlos.
»Hi, Michelin, Lena hier«, sagte sie zögernd. »Du hattest angerufen?«
»Ich?«, fragte ich verwundert.
»Du würdest dich über einen Rückruf freuen«, erinnerte mich Lena, die nicht wusste, was sie von meinem Versteckspiel halten sollte.
»Oh, oh, ja, klar. Jetzt … jetzt weiß ich es wieder«, sagte ich lahm. Ich hatte auf dem Anrufbeantworter nicht geklärt, von wem ich diesen Anruf erhoffte.
»Tja, wie wär’s, wenn wir uns mal treffen?«, wagte Lena einen Vorstoß. Ihre Stimme hatte nicht diesen leise flirtenden Singsang wie neulich Abend. Sie klang sachlich. Und unsicher.
»Gern«, erwiderte ich. »Was macht die Wohnung?«
Bei dieser Frage kam Leben in sie, und sie erzählte, wie sie sich die Einrichtung vorstellte und was noch alles getan werden musste. Ich versuchte mir meinerseits vorzustellen, dass sie im Wohnzimmer auf dem Sofa saß, mit untergeschlagenen Beinen. Ich versuchte mir vorzustellen, wie reizend sie dabei aussehen würde. Aber alles, was vor meinem geistigen Auge auftauchte, war jener Abend, an dem ich selber vor diesem Sofa gestanden hatte und Angela in ihrem Bademantel plötzlich in der Tür erschien …
»Wir könnten das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden und uns morgen zum Tapetenabreißen treffen«, schlug Lena vor.
Fast hätte ich rasch einen Dreh fürs Lokalfernsehen erfunden, um keine Zeit zu haben, aber mahnend erschien mein inneres Bild der blühenden Almwiese vor mir. Wenn ich auch nur einen einzigen Zweifel hatte, sollte ich alles tun, um ihn auszuräumen. Also beschloss ich, Lena wiederzusehen. Vielleicht würde mein spontanes Gefühl eine weise Entscheidung treffen.
Als wir uns am nächsten Tag auf der Straße vor ihrer neuen Wohnung trafen, standen wir uns verlegen gegenüber. Sie war natürlich immer noch wunderschön, und das verfehlte nicht ganz seine Wirkung auf mich. Ich blickte in ihre wunderbaren Kirschenaugen, von denen ich nicht wusste, ob ich ihnen trauen konnte. Warum hatten sie mir von so viel Nähe gesprochen? Hatten sie um meiner selbst willen mit mir geflirtet oder aus reiner Wettkampflaune heraus? Wollten sie mich erobern oder nur den einsamen Sieg über ihre Mutter davontragen? Jetzt blickten sie ratlos in die meinen. Gleichermaßen unschlüssig, wie wir uns nun zueinander verhalten sollten, sahen wir uns einige Sekunden lang an. Es war ein Messen und Wiegen auf beiden Seiten. Und plötzlich, als hätten wir uns verabredet, jetzt diesen Schritt zu tun, beugten wir uns vor und gaben uns zwei Begrüßungsküsse. Sie landeten nach französischer Manier links und rechts auf der Wange. Damit war die Entscheidung gefallen. Wir hatten in stiller Übereinkunft geklärt, kein Liebespaar zu sein.
Als wir die vielen Stufen hinauf zu ihrer ersten eigenen Wohnung unter dem Dach stiegen, prüfte ich mein Inneres auf klaffende Risse, Verletzungen und Brandwunden. Doch ich fand stattdessen Erleichterung über diesen gemeinsamen Entschluss.
Wir vermaßen die Wände, malten den Grundriss auf, rechneten, planten, kalkulierten. Das Zusammensein mit ihr war nett und harmonisch. Ich wurde immer fröhlicher und ausgelassener und wirbelte in den leeren Räumen herum. In meinem Kopf malte ich mir bereits aus, wie ich gleich heimfahren würde. Ich würde das Telefon in die Hand nehmen und Angelas Nummer wählen. Sobald ich sie am Apparat haben würde, würde ich ihr sagen, dass alles geklärt sei und dass ich sie gerne sehen würde. Ganz einfach.
Unbeschwert verabschiedete ich mich kurze Zeit später von Lena und wankte trunken vor zukunftsträchtigem Glück nach Hause.
Dort ließ ich mich mit dem Telefonhörer in den Sessel sinken und wählte in Windeseile die Nummer, die ich inzwischen auswendig kannte.
»Rose?«
»Angela, hier ist Michelin«, begann ich, plötzlich mit weichen Knien und zittrigen Händen.
Ich konnte hören, wie sie die Luft einsog, ein zischender Laut zwischen Schmerz und Überraschung.
»Lena ist unterwegs«, erwiderte sie dann rasch.
»Ich weiß«, erklärte ich ihr. Mein Lächeln saß nur noch als nervöses Zucken in meinen Mundwinkeln. »Wir haben alles geklärt. Ich meine, wir haben geklärt, ob wir jetzt
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