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Die Schönen und Verdammten

Die Schönen und Verdammten

Titel: Die Schönen und Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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schloss, war sie zu ihrem Ärger mit ihren Kleidern unzufrieden. Zu diesem Anlass hätte sie sich ein richtiges Mädchenkleid kaufen sollen – das konnte sie immer noch tragen, und wenn es ihre luftige Jugendlichkeit unterstrichen hätte, wäre es eine gute Geldanlage gewesen.
    Als aus dem grellen Licht der weißen Scheinwerfer vor ihr Mr. Debris’ Stimme erscholl, wurde sie jäh in die folgenträchtige Gegenwart hineingerissen.
    »Sie schauen sich nach Ihrem Mann um… Sie sehen ihn nicht… Sie sind neugierig auf das Büro…«
    Ihr fiel das regelmäßige Schnurren der Kamera auf. Es stimmte sie unruhig. Unwillkürlich blickte sie zu ihr hin und fragte sich, ob sie das Gesicht korrekt geschminkt hatte. Dann zwang sie sich mit einer ausgesprochenen Willensanstrengung zum Schauspielern – nie zuvor hatte sie das Gefühl gehabt, dass alle ihre körperlichen Gesten so banal, so linkisch, so bar jeder Anmut oder Würde waren. Sie schlenderte in dem Büro umher, nahm hier und da einen Gegenstand zur Hand und betrachtete ihn gedankenlos. Dann nahm sie die Decke und den Fußboden in Augenschein und musterte eingehend einen bedeutungslosen Bleistift, der auf dem Schreibtisch lag. Weil ihr nichts anderes einfiel und sie sich nicht anders zu helfen wusste, zwang sie sich schließlich zu einem Lächeln.
    »In Ordnung. So, jetzt klingelt das Telefon. Klingelingeling! Zögern Sie, nehmen Sie dann ab.«
    [518] Sie zögerte – dann nahm sie, wie sie fand, viel zu schnell, den Hörer ab.
    »Hallo.«
    Ihre Stimme klang hohl und unwirklich. In dem menschenleeren Szenenaufbau hallten die Worte wider wie die eines kraftlosen Gespenstes. Die Lächerlichkeit dieser Anforderungen stieß sie ab – erwartete man etwa von ihr, dass sie sich auf Zuruf in diese lachhafte und unerklärte Figur hineinversetzen könne?
    »Nein… nein… Noch nicht! Hören Sie: ›John Summer ist soeben von einem Auto überfahren worden und war auf der Stelle tot.‹«
    Gloria öffnete langsam ihren Babymund.
    Dann: »Jetzt legen Sie auf! Mit einem Knall!«
    Sie gehorchte und klammerte sich mit weit aufgerissenen Augen und starrem Blick an den Tisch. Zum ersten Mal fühlte sie sich leicht ermutigt, und ihr Selbstvertrauen wuchs.
    »Mein Gott!«, rief sie. Ihre Stimme klang gut, dachte sie. »O mein Gott!«
    »Jetzt ohnmächtig werden.«
    Sie sank vornüber in die Knie, warf ihren Oberkörper zu Boden und blieb, ohne zu atmen, liegen.
    »In Ordnung!«, rief Mr. Debris. »Das langt, danke. Das reicht. Stehen Sie auf – das langt.«
    Gloria erhob sich und bürstete sich unter Aufbietung all ihrer Würde den Rock ab.
    »Entsetzlich!«, bemerkte sie mit einem kühlen Lachen, auch wenn ihr Herz heftig pochte. »Furchtbar, was?«
    »War’s schlimm?«, fragte Mr. Debris mit ausdruckslosem [519] Lächeln. »Ist es Ihnen schwergefallen? Ehe ich es nicht abspiele, kann ich nichts dazu sagen.«
    »Natürlich nicht«, pflichtete sie ihm bei und versuchte, seiner Bemerkung eine Bedeutung beizumessen – vergebens. Es war genau das, was er gesagt haben würde, wenn er versucht hätte, sie nicht zu ermutigen.
    Wenige Augenblicke später verließ sie das Studio. Bloeckman hatte versprochen, ihr das Ergebnis der Probeaufnahme innerhalb von ein paar Tagen mitzuteilen. Zu stolz, um irgendeinen endgültigen Kommentar zu erzwingen, empfand sie eine verwirrende Ungewissheit, und erst jetzt, da sie den Schritt endlich getan hatte, begriff sie, dass sie die Möglichkeit einer erfolgreichen Filmkarriere in den vergangenen drei Jahren heimlich mit sich herumgetragen hatte. Am Abend versuchte sie, die Momente aufzulisten, die für oder gegen sie sprechen mochten. Sie machte sich Sorgen, ob sie auch genügend Make-up verwendet hatte, und da die Rolle die eines zwanzigjährigen Mädchens war, überlegte sie, ob sie nicht ein kleines bisschen zu ernst gewesen war. Am wenigsten war sie mit ihrer darstellerischen Leistung zufrieden. Ihr Auftritt war abscheulich gewesen – erst als sie zum Hörer gegriffen hatte, hatte sie einen Funken Haltung gezeigt –, und dann war die Aufnahme vorbei gewesen. Wenn sie es doch nur gleich gemerkt hätte! Sie wünschte, sie könnte es noch einmal probieren! Ein verrückter Plan, am Morgen anzurufen und um eine neuerliche Probeaufnahme zu bitten, nahm von ihr Besitz und verflüchtigte sich ebenso plötzlich, wie er gekommen war. Es schien weder klug noch höflich, Bloeckman um einen weiteren Gefallen zu bitten.
    [520] Am dritten Tag des Wartens befand

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